Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 265  | 
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| 01 | Aus diesen Elementen entspringen alle Begriffe der reinen Seelenlehre | ||||||
| 02 | lediglich durch die Zusammensetzung, ohne im mindesten ein anderes | ||||||
| 03 | Principium zu erkennen. Diese Substanz bloß als Gegenstand des inneren | ||||||
| 04 | Sinnes giebt den Begriff der Immaterialität, als einfache Substanz | ||||||
| 05 | der Incorruptibilität, die Identität derselben als intellectueller Substanz | ||||||
| 06 | giebt die Personalität, alle diese drei Stücke zusammen die | ||||||
| 07 | Spiritualität; das Verhältniß zu den Gegenständen im Raume giebt | ||||||
| 08 | das Commercium mit Körpern; mithin stellt sie die denkende Substanz | ||||||
| 09 | als das Principium des Lebens in der Materie, d. i. sie als Seele ( anima ) | ||||||
| 10 | und als den Grund der Animalität, vor, diese, durch die Spiritualität | ||||||
| 11 | eingeschränkt, Immortalität. | ||||||
| 12 | Hierauf beziehen sich nun vier Paralogismen einer transscendentalen | ||||||
| 13 | Seelenlehre, welche fälschlich für eine Wissenschaft der reinen Vernunft | ||||||
| 14 | von der Natur unseres denkenden Wesens gehalten wird. Zum Grunde | ||||||
| 15 | derselben können wir aber nichts anderes legen, als die einfache und für | ||||||
| 16 | sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich, von der man nicht | ||||||
| 17 | einmal sagen kann, daß sie ein Begriff sei, sondern ein bloßes Bewußtsein, | ||||||
| 18 | das alle Begriffe begleitet. Durch dieses Ich oder Er oder Es (das Ding), | ||||||
| 19 | welches denkt, wird nun nichts weiter als ein transscendentales Subject | ||||||
| 20 | der Gedanken vorgestellt = X, welches nur durch die Gedanken, die seine | ||||||
| 21 | Prädicate sind, erkannt wird, und wovon wir abgesondert niemals den | ||||||
| 22 | mindesten Begriff haben können, um welches wir uns daher in einem beständigen | ||||||
| 23 | Cirkel herumdrehen, indem wir uns seiner Vorstellung jederzeit | ||||||
| 24 | schon bedienen müssen, um irgend etwas von ihm zu urtheilen; eine Unbequemlichkeit, | ||||||
| 25 | die davon nicht zu trennen ist, weil das Bewußtsein an | ||||||
| 26 | sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Object unterscheidet, | ||||||
| 27 | sondern eine Form derselben überhaupt, so fern sie Erkenntniß | ||||||
| 28 | genannt werden soll; denn von der allein kann ich sagen, daß ich dadurch | ||||||
| 29 | irgend etwas denke. | ||||||
| 30 | Es muß aber gleich anfangs befremdlich scheinen, daß die Bedingung, | ||||||
| 31 | unter der ich überhaupt denke, und die mithin bloß eine Beschaffenheit | ||||||
| 32 | meines Subjects ist, zugleich für alles, was denkt, gültig sein solle, und | ||||||
| 33 | daß wir auf einen empirisch scheinenden Satz ein apodiktisches und allgemeines | ||||||
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