Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 266

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 meines Urtheils zu gründen uns anmaßen können, nämlich: daß alles, was      
  02 denkt, so beschaffen sei, als der Ausspruch des Selbstbewußtseins es an      
  03 mir aussagt. Die Ursache aber hievon liegt darin: daß wir den Dingen      
  04 a priori alle die Eigenschaften nothwendig beilegen müssen, die die Bedingungen      
  05 ausmachen, unter welchen wir sie allein denken. Nun kann ich      
  06 von einem denkenden Wesen durch keine äußere Erfahrung, sondern bloß      
  07 durch das Selbstbewußtsein die mindeste Vorstellung haben. Also sind      
  08 dergleichen Gegenstände nichts weiter, als die Übertragung dieses meines      
  09 Bewußtseins auf andere Dinge, welche nur dadurch als denkende Wesen      
  10 vorgestellt werden. Der Satz: Ich denke, wird aber hiebei nur problematisch      
  11 genommen, nicht so fern er eine Wahrnehmung von einem Dasein      
  12 enthalten mag (das Cartesianische cogito, ergo sum ), sondern seiner      
  13 bloßen Möglichkeit nach, um zu sehen, welche Eigenschaften aus diesem so      
  14 einfachen Satze auf das Subject desselben (es mag dergleichen nun existiren      
  15 oder nicht) fließen mögen.      
           
  16 Läge unserer reinen Vernunfterkenntniß von denkenden Wesen überhaupt      
  17 mehr als das cogito zum Grunde; würden wir die Beobachtungen      
  18 über das Spiel unserer Gedanken und die daraus zu schöpfende Naturgesetze      
  19 des denkenden Selbst auch zu Hülfe nehmen: so würde eine empirische      
  20 Psychologie entspringen, welche eine Art der Physiologie des inneren      
  21 Sinnes sein würde und vielleicht die Erscheinungen desselben zu erklären,      
  22 niemals aber dazu dienen könnte, solche Eigenschaften, die gar nicht zur      
  23 möglichen Erfahrung gehören (als die des Einfachen) zu eröffnen, noch      
  24 von denkenden Wesen überhaupt etwas, das ihre Natur betrifft, apodiktisch      
  25 zu lehren; sie wäre also keine rationale Psychologie.      
           
  26 Da nun der Satz: Ich denke, (problematisch genommen) die Form      
  27 eines jeden Verstandesurtheils überhaupt enthält und alle Kategorien als      
  28 ihr Vehikel begleitet: so ist klar, daß die Schlüsse aus demselben einen bloß      
  29 transscendentalen Gebrauch des Verstandes enthalten können, welcher alle      
  30 Beimischung der Erfahrung ausschlägt, und von dessen Fortgang wir nach      
  31 dem, was wir oben gezeigt haben, uns schon zum voraus keinen vortheilhaften      
  32 Begriff machen können. Wir wollen ihn also durch alle Prädicamente      
  33 der reinen Seelenlehre mit einem kritischen Auge verfolgen, doch      
           
     

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