Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 252

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vernunft gegründet; es mag auch übrigens diesen transscendentalen Begriffen      
  02 an einem ihnen angemessenen Gebrauch in concreto fehlen und sie      
  03 mithin keinen andern Nutzen haben, als den Verstand in die Richtung zu      
  04 bringen, darin sein Gebrauch, indem er aufs äußerste erweitert, zugleich      
  05 mit sich selbst durchgehends einstimmig gemacht wird.      
           
  06 Indem wir aber hier von der Totalität der Bedingungen und dem      
  07 Unbedingten als dem gemeinschaftlichen Titel aller Vernunftbegriffe reden,      
  08 so stoßen wir wiederum auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren, und      
  09 gleichwohl nach einer ihm durch langen Mißbrauch anhängenden Zweideutigkeit      
  10 nicht sicher brauchen können. Das Wort absolut ist eines von      
  11 den wenigen Wörtern, die in ihrer uranfänglichen Bedeutung einem Begriffe      
  12 angemessen worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort      
  13 eben derselben Sprache genau anpaßt, und dessen Verlust, oder welches      
  14 eben so viel ist, sein schwankender Gebrauch daher auch den Verlust des      
  15 Begriffs selbst nach sich ziehen muß und zwar eines Begriffs, der, weil er      
  16 die Vernunft gar sehr beschäftigt, ohne großen Nachtheil aller transscendentalen      
  17 Beurtheilungen nicht entbehrt werden kann. Das Wort absolut      
  18 wird jetzt öfters gebraucht, um bloß anzuzeigen, daß etwas von einer      
  19 Sache an sich selbst betrachtet und also innerlich gelte. In dieser Bedeutung      
  20 würde absolut=möglich das bedeuten, was an sich selbst ( interne )      
  21 möglich ist, welches in der That das wenigste ist, was man von      
  22 einem Gegenstande sagen kann. Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht,      
  23 um anzuzeigen, daß etwas in aller Beziehung (uneingeschränkt)      
  24 gültig ist (z. B. die absolute Herrschaft), und absolut=möglich würde in      
  25 dieser Bedeutung dasjenige bedeuten, was in aller Absicht, in aller Beziehung      
  26 möglich ist, welches wiederum das meiste ist, was ich über      
  27 die Möglichkeit eines Dinges sagen kann. Nun treffen zwar diese Bedeutungen      
  28 mannigmal zusammen. So ist z. E., was innerlich unmöglich      
  29 ist, auch in aller Beziehung, mithin absolut unmöglich. Aber in den      
  30 meisten Fällen sind sie unendlich weit auseinander, und ich kann auf keine      
  31 Weise schließen, daß, weil etwas an sich selbst möglich ist, es darum auch      
  32 in aller Beziehung, mithin absolut möglich sei. Ja von der absoluten      
  33 Nothwendigkeit werde ich in der Folge zeigen, daß sie keinesweges in allen      
  34 Fällen von der innern abhänge und also mit dieser nicht als gleichbedeutend      
  35 angesehen werden müsse. Dessen Gegentheil innerlich unmöglich ist,      
  36 dessen Gegentheil ist freilich auch in aller Absicht unmöglich, mithin ist es      
  37 selbst absolut nothwendig; aber ich kann nicht umgekehrt schließen, was      
           
     

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