Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 251 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | ist ein Urtheil, welches a priori in dem ganzen Umfange seiner Bedingung | ||||||
| 02 | bestimmt wird. Den Satz: Cajus ist sterblich, könnte ich auch bloß durch | ||||||
| 03 | den Verstand aus der Erfahrung schöpfen. Allein ich suche einen Begriff, | ||||||
| 04 | der die Bedingung enthält, unter welcher das Prädicat (Assertion | ||||||
| 05 | überhaupt) dieses Urtheils gegeben wird (d. i. hier den Begriff des | ||||||
| 06 | Menschen), und nachdem ich unter diese Bedingung, in ihrem ganzen | ||||||
| 07 | Umfange genommen, (alle Menschen sind sterblich) subsumirt habe: so | ||||||
| 08 | bestimme ich darnach die Erkenntniß meines Gegenstandes (Cajus ist | ||||||
| 09 | sterblich). | ||||||
| 10 | Demnach restringiren wir in der Conclusion eines Vernunftschlusses | ||||||
| 11 | ein Prädicat auf einen gewissen Gegenstand, nachdem wir es vorher in | ||||||
| 12 | dem Obersatz in seinem ganzen Umfange unter einer gewissen Bedingung | ||||||
| 13 | gedacht haben. Diese vollendete Größe des Umfanges in Beziehung auf | ||||||
| 14 | eine solche Bedingung heißt die Allgemeinheit ( Universalitas ). Dieser | ||||||
| 15 | entspricht in der Synthesis der Anschauungen die Allheit ( Universitas ) | ||||||
| 16 | oder Totalität der Bedingungen. Also ist der transscendentale Vernunftbegriff | ||||||
| 17 | kein anderer, als der von der Totalität der Bedingungen | ||||||
| 18 | zu einem gegebenen Bedingten. Da nun das Unbedingte allein die | ||||||
| 19 | Totalität der Bedingungen möglich macht, und umgekehrt die Totalität | ||||||
| 20 | der Bedingungen jederzeit selbst unbedingt ist: so kann ein reiner Vernunftbegriff | ||||||
| 21 | überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, sofern er einen | ||||||
| 22 | Grund der Synthesis des Bedingten enthält, erklärt werden. | ||||||
| 23 | So viel Arten des Verhältnisses es nun giebt, die der Verstand vermittelst | ||||||
| 24 | der Kategorien sich vorstellt, so vielerlei reine Vernunftbegriffe | ||||||
| 25 | wird es auch geben; und es wird also erstlich ein Unbedingtes der | ||||||
| 26 | kategorischen Synthesis in einem Subject, zweitens der hypothetischen | ||||||
| 27 | Synthesis der Glieder einer Reihe, drittens der disjunctiven | ||||||
| 28 | Synthesis der Theile in einem System zu suchen sein. | ||||||
| 29 | Es giebt nämlich eben so viel Arten von Vernunftschlüssen, deren | ||||||
| 30 | jede durch Prosyllogismen zum Unbedingten fortschreitet: die eine zum | ||||||
| 31 | Subject, welches selbst nicht mehr Prädicat ist, die andre zur Voraussetzung, | ||||||
| 32 | die nichts weiter voraussetzt, und die dritte zu einem Aggregat | ||||||
| 33 | der Glieder der Eintheilung, zu welchen nichts weiter erforderlich ist, um | ||||||
| 34 | die Eintheilung eines Begriffs zu vollenden. Daher sind die reinen Vernunftbegriffe | ||||||
| 35 | von der Totalität in der Synthesis der Bedingungen wenigstens | ||||||
| 36 | als Aufgaben, um die Einheit des Verstandes wo möglich bis zum | ||||||
| 37 | Unbedingten fortzusetzen, nothwendig und in der Natur der menschlichen | ||||||
| [ Seite 250 ] [ Seite 252 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||