Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 247

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eigenthümliches Product der Vernunft sind. Wer die Begriffe der Tugend      
  02 aus Erfahrung schöpfen wollte, wer das, was nur allenfalls als Beispiel      
  03 zur unvollkommenen Erläuterung dienen kann, als Muster zum Erkenntnißquell      
  04 machen wollte (wie es wirklich viele gethan haben), der würde      
  05 aus der Tugend ein nach Zeit und Umständen wandelbares, zu keiner      
  06 Regel brauchbares zweideutiges Unding machen. Dagegen wird ein jeder      
  07 inne, daß, wenn ihm jemand als Muster der Tugend vorgestellt wird,      
  08 er doch immer das wahre Original bloß in seinem eigenen Kopfe habe,      
  09 womit er dieses angebliche Muster vergleicht und es bloß darnach schätzt.      
  10 Dieses ist aber die Idee der Tugend, in Ansehung deren alle mögliche      
  11 Gegenstände der Erfahrung zwar als Beispiele (Beweise der Thunlichkeit      
  12 desjenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt),      
  13 aber nicht als Urbilder Dienste thun. Daß niemals ein Mensch demjenigen      
  14 adäquat handeln werde, was die reine Idee der Tugend enthält,      
  15 beweiset gar nicht etwas Chimärisches in diesem Gedanken. Denn es ist      
  16 gleichwohl alles Urtheil über den moralischen Werth oder Unwerth nur      
  17 vermittelst dieser Idee möglich; mithin liegt sie jeder Annäherung zur      
  18 moralischen Vollkommenheit nothwendig zum Grunde, so weit auch die      
  19 ihrem Grade nach nicht zu bestimmende Hindernisse in der menschlichen      
  20 Natur uns davon entfernt halten mögen.      
           
  21 Die Platonische Republik ist als ein vermeintlich auffallendes      
  22 Beispiel von erträumter Vollkommenheit, die nur im Gehirn des müßigen      
  23 Denkers ihren Sitz haben kann, zum Sprichwort geworden, und Brucker      
  24 findet es lächerlich, daß der Philosoph behauptete, niemals würde ein      
  25 Fürst wohl regieren, wenn er nicht der Ideen theilhaftig wäre. Allein      
  26 man würde besser thun, diesem Gedanken mehr nachzugehen und ihn (wo      
  27 der vortreffliche Mann uns ohne Hülfe läßt) durch neue Bemühungen in      
  28 Licht zu stellen, als ihn unter dem sehr elenden und schädlichen Vorwande      
  29 der Unthunlichkeit als unnütz bei Seite zu setzen. Eine Verfassung von      
  30 der größten menschlichen Freiheit nach Gesetzen, welche machen, daß      
  31 jedes Freiheit mit der andern ihrer zusammen bestehen kann,      
  32 (nicht von der größten Glückseligkeit, denn diese wird schon von selbst folgen)      
  33 ist doch wenigstens eine nothwendige Idee, die man nicht bloß im      
           
     

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