Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 223 |
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| 01 | überhaupt müssen etwas Inneres haben, was also von allen äußeren | ||||||
| 02 | Verhältnissen, folglich auch der Zusammensetzung frei ist. Das Einfache | ||||||
| 03 | ist also die Grundlage des Inneren der Dinge an sich selbst. Das Innere | ||||||
| 04 | aber ihres Zustandes kann auch nicht in Ort, Gestalt, Berührung oder | ||||||
| 05 | Bewegung (welche Bestimmungen alle äußere Verhältnisse sind) bestehen, | ||||||
| 06 | und wir können daher den Substanzen keinen andern innern Zustand als | ||||||
| 07 | denjenigen, wodurch wir unsern Sinn selbst innerlich bestimmen, nämlich | ||||||
| 08 | den Zustand der Vorstellungen, beilegen. So wurden denn die Monaden | ||||||
| 09 | fertig, welche den Grundstoff des ganzen Universum ausmachen | ||||||
| 10 | sollen, deren thätige Kraft aber nur in Vorstellungen besteht, wodurch sie | ||||||
| 11 | eigentlich bloß in sich selbst wirksam sind. | ||||||
| 12 | Eben darum mußte aber auch sein Principium der möglichen Gemeinschaft | ||||||
| 13 | der Substanzen unter einander eine vorherbestimmte | ||||||
| 14 | Harmonie und konnte kein physischer Einfluß sein. Denn weil alles nur | ||||||
| 15 | innerlich, d. i. mit seinen Vorstellungen beschäftigt ist, so konnte der Zustand | ||||||
| 16 | der Vorstellungen der einen mit dem der andern Substanz in ganz | ||||||
| 17 | und gar keiner wirksamen Verbindung stehen, sondern es mußte irgend | ||||||
| 18 | eine dritte und in alle insgesammt einfließende Ursache ihre Zustände | ||||||
| 19 | einander correspondirend machen, zwar nicht eben durch gelegentlichen | ||||||
| 20 | und in jedem einzelnen Falle besonders angebrachten Beistand ( Systema | ||||||
| 21 | assistentiae ), sondern durch die Einheit der Idee einer für alle gültigen | ||||||
| 22 | Ursache, in welcher sie insgesammt ihr Dasein und Beharrlichkeit, mithin | ||||||
| 23 | auch wechselseitige Correspondenz unter einander nach allgemeinen Gesetzen | ||||||
| 24 | bekommen müssen. | ||||||
| 25 | Viertens, der berühmte Lehrbegriff desselben von Zeit und | ||||||
| 26 | Raum, darin er diese Formen der Sinnlichkeit intellectuirte, war lediglich | ||||||
| 27 | aus eben derselben Täuschung der transscendentalen Reflexion entsprungen. | ||||||
| 28 | Wenn ich mir durch den bloßen Verstand äußere Verhältnisse | ||||||
| 29 | der Dinge vorstellen will, so kann dieses nur vermittelst eines Begriffs | ||||||
| 30 | ihrer wechselseitigen Wirkung geschehen, und soll ich einen Zustand eben | ||||||
| 31 | desselben Dinges mit einem andern Zustande verknüpfen, so kann dieses | ||||||
| 32 | nur in der Ordnung der Gründe und Folgen geschehen. So dachte sich | ||||||
| 33 | also Leibniz den Raum als eine gewisse Ordnung in der Gemeinschaft | ||||||
| 34 | der Substanzen und die Zeit als die dynamische Folge ihrer Zustände. | ||||||
| 35 | Das Eigenthümliche aber und von Dingen Unabhängige, was beide an | ||||||
| 36 | sich zu haben scheinen, schrieb er der Verworrenheit dieser Begriffe zu, | ||||||
| 37 | welche machte, daß dasjenige, was eine bloße Form dynamischer Verhältnisse | ||||||
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