Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 222 |
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01 | als Erscheinungen ohne weitere Bedingungen schon für sich nicht | ||||||
02 | allein möglich, sondern auch nothwendig. Also ist jenes scheinbare Gesetz | ||||||
03 | kein Gesetz der Natur. Es ist lediglich eine analytische Regel der Vergleichung | ||||||
04 | der Dinge durch bloße Begriffe. | ||||||
05 | Zweitens, der Grundsatz: daß Realitäten (als bloße Bejahungen) | ||||||
06 | einander niemals logisch widerstreiten, ist ein ganz wahrer Satz von dem | ||||||
07 | Verhältnisse der Begriffe, bedeutet aber weder in Ansehung der Natur, | ||||||
08 | noch überall in Ansehung irgend eines Dinges an sich selbst (von diesem | ||||||
09 | haben wir keinen Begriff) das mindeste. Denn der reale Widerstreit | ||||||
10 | findet allerwärts statt, wo A-B = 0 ist, d. i. wo eine Realität, mit der | ||||||
11 | andern in einem Subject verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt, | ||||||
12 | welches alle Hindernisse und Gegenwirkungen in der Natur unaufhörlich | ||||||
13 | vor Augen legen, die gleichwohl, da sie auf Kräften beruhen, realitates | ||||||
14 | phaenomena genannt werden müssen. Die allgemeine Mechanik | ||||||
15 | kann sogar die empirische Bedingung dieses Widerstreits in einer Regel | ||||||
16 | a priori angeben, indem sie auf die Entgegensetzung der Richtungen sieht: | ||||||
17 | eine Bedingung, von welcher der transscendentale Begriff der Realität | ||||||
18 | gar nichts weiß. Obzwar Herr von Leibniz diesen Satz nicht eben mit | ||||||
19 | dem Pomp eines neuen Grundsatzes ankündigte, so bediente er sich doch | ||||||
20 | desselben zu neuen Behauptungen, und seine Nachfolger trugen ihn ausdrücklich | ||||||
21 | in ihre Leibniz=Wolffianische Lehrgebäude ein. Nach diesem | ||||||
22 | Grundsatze sind z. E. alle Übel nichts als Folgen von den Schranken der | ||||||
23 | Geschöpfe, d. i. Negationen, weil diese das einzige Widerstreitende der | ||||||
24 | Realität sind (in dem bloßen Begriffe eines Dinges überhaupt ist es auch | ||||||
25 | wirklich so, aber nicht in den Dingen als Erscheinungen). Imgleichen | ||||||
26 | finden die Anhänger desselben es nicht allein möglich, sondern auch natürlich, | ||||||
27 | alle Realität ohne irgend einen besorglichen Widerstreit in einem | ||||||
28 | Wesen zu vereinigen, weil sie keinen andern als den des Widerspruchs | ||||||
29 | (durch den der Begriff eines Dinges selbst aufgehoben wird), nicht aber | ||||||
30 | den des wechselseitigen Abbruchs kennen, da ein Realgrund die Wirkung | ||||||
31 | des andern aufhebt, und dazu wir nur in der Sinnlichkeit die Bedingungen | ||||||
32 | antreffen, uns einen solchen vorzustellen. | ||||||
33 | Drittens, die Leibnizische Monadologie hat gar keinen andern | ||||||
34 | Grund, als daß dieser Philosoph den Unterschied des Inneren und Äußeren | ||||||
35 | bloß im Verhältniß auf den Verstand vorstellte. Die Substanzen | ||||||
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