Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 199 |
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01 | lange es also an Anschauung fehlt, weiß man nicht, ob man durch die | ||||||
02 | Kategorien ein Object denkt, und ob ihnen auch überall gar irgend ein | ||||||
03 | Object zukommen könne, und so bestätigt sich, daß sie für sich gar keine | ||||||
04 | Erkenntnisse, sondern bloße Gedankenformen sind, um aus gegebenen | ||||||
05 | Anschauungen Erkenntnisse zu machen. - eben daher kommt es auch, | ||||||
06 | daß aus bloßen Kategorien kein synthetischer Satz gemacht werden kann. | ||||||
07 | Z. B. in allem Dasein ist Substanz, d. i. etwas, was nur als Subject | ||||||
08 | und nicht als bloßes Prädicat existiren kann; oder ein jedes Ding ist ein | ||||||
09 | Quantum u. s. w., wo gar nichts ist, was uns dienen könnte, über einen | ||||||
10 | gegebenen Begriff hinauszugehen und einen andern damit zu verknüpfen. | ||||||
11 | Daher es auch niemals gelungen ist, aus bloßen reinen Verstandesbegriffen | ||||||
12 | einen synthetischen Satz zu beweisen, z. B. den Satz: alles Zufällig=Existirende | ||||||
13 | hat eine Ursache. Man konnte niemals weiter kommen, | ||||||
14 | als zu beweisen, daß ohne diese Beziehung wir die Existenz des Zufälligen | ||||||
15 | gar nicht begreifen, d. i. a priori durch den Verstand die Existenz eines | ||||||
16 | solchen Dinges nicht erkennen könnten; woraus aber nicht folgt, daß eben | ||||||
17 | dieselbe auch die Bedingung der Möglichkeit der Sachen selbst sei. Wenn | ||||||
18 | man daher nach unserem Beweise des Grundsatzes der Causalität zurück | ||||||
19 | sehen will, so wird man gewahr werden, daß wir denselben nur von Objecten | ||||||
20 | möglicher Erfahrung beweisen konnten: alles, was geschieht, (eine | ||||||
21 | jede Begebenheit) setzt eine Ursache voraus und zwar so, daß wir ihn auch | ||||||
22 | nur als Princip der Möglichkeit der Erfahrung, mithin der Erkenntniß | ||||||
23 | eines in der empirischen Anschauung gegebenen Objects und nicht | ||||||
24 | aus bloßen Begriffen beweisen konnten. Daß gleichwohl der Satz, alles | ||||||
25 | Zufällige müsse eine Ursache haben, doch jedermann aus bloßen Begriffen | ||||||
26 | klar einleuchte, ist nicht zu leugnen; aber alsdann ist der Begriff des Zufälligen | ||||||
27 | schon so gefaßt, daß er nicht die Kategorie der Modalität (als etwas, | ||||||
28 | dessen Nichtsein sich denken läßt), sondern die der Relation (als | ||||||
29 | etwas, das nur als Folge von einem anderen existiren kann) enthält, und | ||||||
30 | da ist es freilich ein identischer Satz: was nur als Folge existiren kann, | ||||||
31 | hat seine Ursache. In der That, wenn wir Beispiele vom zufälligen Dasein | ||||||
32 | geben sollen, berufen wir uns immer auf Veränderungen und nicht | ||||||
33 | bloß auf die Möglichkeit des Gedankens vom Gegentheil.*) Veränderung | ||||||
*) Man kann sich das Nichtsein der Materie leicht denken, aber die Alten folgerten daraus doch nicht ihre Zufälligkeit. Allein selbst der Wechsel des Seins und Nichtseins eines gegebenen Zustandes eines Dinges, darin alle Veränderung besteht, beweiset gar nicht die Zufälligkeit dieses Zustandes gleichsam aus der Wirklichkeit [Seitenumbruch] seines Gegentheils, z. B. die Ruhe eines Körpers, welche auf die Bewegung folgt, noch nicht die Zufälligkeit der Bewegung desselben daraus, weil die erstere das Gegentheil der letzteren ist. Denn dieses Gegentheil ist hier nur logisch, nicht realiter dem anderen entgegengesetzt. Man müßte beweisen, daß anstatt der Bewegung im vorhergehenden Zeitpunkte es möglich gewesen, daß der Körper damals geruht hätte, um die Zufälligkeit seiner Bewegung zu beweisen, nicht daß er hernach ruhe; denn da können beide Gegentheile gar wohl mit einander bestehen. | |||||||
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