Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 195 |
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| 01 | ( in mundo non datur saltus ), aber auch in dem Inbegriff aller empirischen | ||||||
| 02 | Anschauungen im Raume alle Lücke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen | ||||||
| 03 | ( non datur hiatus ); denn so kann man den Satz ausdrücken: daß in | ||||||
| 04 | die Erfahrung nichts hinein kommen kann, was ein vacuum bewiese, oder | ||||||
| 05 | auch nur als einen Theil der empirischen Synthesis zuließe. Denn was das | ||||||
| 06 | Leere betrifft, welches man sich außerhalb dem Felde möglicher Erfahrung | ||||||
| 07 | (der Welt) denken mag, so gehört dieses nicht vor die Gerichtsbarkeit des | ||||||
| 08 | bloßen Verstandes, welcher nur über die Fragen entscheidet, die die | ||||||
| 09 | Nutzung gegebener Erscheinungen zur empirischen Erkenntniß betreffen, | ||||||
| 10 | und ist eine Aufgabe für die idealische Vernunft, die noch über die | ||||||
| 11 | Sphäre einer möglichen Erfahrung hinausgeht und von dem urtheilen | ||||||
| 12 | will, was diese selbst umgiebt und begrenzt, muß daher in der transscendentalen | ||||||
| 13 | Dialektik erwogen werden. Diese vier Sätze ( in mundo non datur | ||||||
| 14 | hiatus, non datur saltus, non datur casus, non datur fatum ) könnten | ||||||
| 15 | wir leicht, so wie alle Grundsätze transscendentalen Ursprungs, nach ihrer | ||||||
| 16 | Ordnung gemäß der Ordnung der Kategorien vorstellig machen und jedem | ||||||
| 17 | seine Stelle beweisen, allein der schon geübte Leser wird dieses von | ||||||
| 18 | selbst thun, oder den Leitfaden dazu leicht entdecken. Sie vereinigen sich | ||||||
| 19 | aber alle lediglich dahin, um in der empirischen Synthesis nichts zuzulassen, | ||||||
| 20 | was dem Verstande und dem continuirlichen Zusammenhange aller | ||||||
| 21 | Erscheinungen, d. i. der Einheit seiner Begriffe, Abbruch oder Eintrag | ||||||
| 22 | thun könnte. Denn er ist es allein, worin die Einheit der Erfahrung, in | ||||||
| 23 | der alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben müssen, möglich wird. | ||||||
| 24 | Ob das Feld der Möglichkeit größer sei als das Feld, was alles | ||||||
| 25 | Wirkliche enthält, dieses aber wiederum größer als die Menge desjenigen, | ||||||
| 26 | was nothwendig ist, das sind artige Fragen und zwar von synthetischer | ||||||
| 27 | Auflösung, die aber auch nur der Gerichtsbarkeit der Vernunft anheim | ||||||
| 28 | fallen; denn sie wollen ungefähr so viel sagen, als ob alle Dinge als Erscheinungen | ||||||
| 29 | insgesammt in den Inbegriff und den Context einer einzigen | ||||||
| 30 | Erfahrung gehören, von der jede gegebene Wahrnehmung ein Theil ist, | ||||||
| 31 | der also mit keinen andern Erscheinungen könne verbunden werden, oder | ||||||
| 32 | ob meine Wahrnehmungen zu mehr als einer möglichen Erfahrung (in | ||||||
| 33 | ihrem allgemeinen Zusammenhange) gehören können. Der Verstand giebt | ||||||
| 34 | a priori der Erfahrung überhaupt nur die Regel nach den subjectiven und | ||||||
| 35 | formalen Bedingungen sowohl der Sinnlichkeit als der Apperception, | ||||||
| 36 | welche sie allein möglich machen. Andere Formen der Anschauung (als | ||||||
| 37 | Raum und Zeit), imgleichen andere Formen des Verstandes (als die discursive | ||||||
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