Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 175

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 und wenn dieses gesetzt ist, das andre nothwendig folgen müsse.      
  02 Soll also meine Wahrnehmung die Erkenntniß einer Begebenheit enthalten,      
  03 da nämlich etwas wirklich geschieht: so muß sie ein empirisches Urtheil      
  04 sein, in welchem man sich denkt, daß die Folge bestimmt sei, d. i. daß      
  05 sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetze, worauf sie nothwendig      
  06 oder nach einer Regel folgt. Widrigenfalls, wenn ich das Vorhergehende      
  07 setze, und die Begebenheit folgte nicht darauf nothwendig, so      
  08 würde ich sie nur für ein subjectives Spiel meiner Einbildungen halten      
  09 müssen und, stellte ich mir darunter doch etwas Objectives vor, sie einen      
  10 bloßen Traum nennen. Also ist das Verhältniß der Erscheinungen (als      
  11 möglicher Wahrnehmungen), nach welchem das Nachfolgende (was geschieht)      
  12 durch etwas Vorhergehendes seinem Dasein nach nothwendig und      
  13 nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhältniß der Ursache      
  14 zur Wirkung, die Bedingung der objectiven Gültigkeit unserer empirischen      
  15 Urtheile in Ansehung der Reihe der Wahrnehmungen, mithin      
  16 der empirischen Wahrheit derselben und also der Erfahrung. Der Grundsatz      
  17 des Causalverhältnisses in der Folge der Erscheinungen gilt daher      
  18 auch vor allen Gegenständen der Erfahrung (unter den Bedingungen der      
  19 Succession), weil er selbst der Grund der Möglichkeit einer solchen Erfahrung      
  20 ist.      
           
  21 Hier äußert sich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben werden      
  22 muß. Der Satz der Causalverknüpfung unter den Erscheinungen ist in      
  23 unsrer Formel auf die Reihenfolge derselben eingeschränkt, da es sich doch      
  24 bei dem Gebrauch desselben findet, daß er auch auf ihre Begleitung passe      
  25 und Ursache und Wirkung zugleich sein könne. Es ist z. B. Wärme im      
  26 Zimmer, die nicht in freier Luft angetroffen wird. Ich sehe mich nach der      
  27 Ursache um und finde einen geheizten Ofen. Nun ist dieser als Ursache      
  28 mit seiner Wirkung, der Stubenwärme, zugleich; also ist hier keine Reihenfolge      
  29 der Zeit nach zwischen Ursache und Wirkung, sondern sie sind zugleich,      
  30 und das Gesetz gilt doch. Der größte Theil der wirkenden Ursachen      
  31 in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren      
  32 wird nur dadurch veranlaßt, daß die Ursache ihre ganze Wirkung      
  33 nicht in einem Augenblick verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da      
  34 sie zuerst entsteht, ist sie mit der Causalität ihrer Ursache jederzeit zugleich,      
  35 weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehört hätte zu sein,      
  36 diese gar nicht entstanden wäre. Hier muß man wohl bemerken, daß es      
  37 auf die Ordnung der Zeit und nicht den Ablauf derselben angesehen      
           
     

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