Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 174

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auf die Erscheinungen und deren Dasein überträgt, indem er      
  02 jeder derselben als Folge eine in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen      
  03 a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie      
  04 nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Theilen a priori ihre Stelle bestimmt,      
  05 übereinkommen würde. Diese Bestimmung der Stelle kann nun      
  06 nicht von dem Verhältniß der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt      
  07 werden (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung), sondern      
  08 umgekehrt: die Erscheinungen müssen einander ihre Stellen in der Zeit      
  09 selbst bestimmen und dieselbe in der Zeitordnung nothwendig machen, d. i.      
  10 dasjenige, was da folgt oder geschieht, muß nach einer allgemeinen Regel      
  11 auf das, was im vorigen Zustande enthalten war, folgen; woraus eine      
  12 Reihe der Erscheinungen wird, die vermittelst des Verstandes eben dieselbige      
  13 Ordnung und stetigen Zusammenhang in der Reihe möglicher      
  14 Wahrnehmungen hervorbringt und nothwendig macht, als sie in der Form      
  15 der innern Anschauung (der Zeit), darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle      
  16 haben müßten, a priori angetroffen wird.      
           
  17 Daß also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer möglichen      
  18 Erfahrung gehört, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung      
  19 ihrer Stelle nach in der Zeit als bestimmt, mithin als ein Object      
  20 ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen      
  21 jederzeit gefunden werden kann. Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge      
  22 nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung      
  23 anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d. i. nothwendiger      
  24 Weise) folgt. Also ist der Satz vom zureichenden Grunde der Grund möglicher      
  25 Erfahrung, nämlich der objectiven Erkenntniß der Erscheinungen      
  26 in Ansehung des Verhältnisses derselben in Reihenfolge der Zeit.      
           
  27 Der Beweisgrund dieses Satzes aber beruht lediglich auf folgenden      
  28 Momenten. Zu aller empirischen Erkenntniß gehört die Synthesis des      
  29 Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die jederzeit successiv ist; d. i.      
  30 die Vorstellungen folgen in ihr jederzeit auf einander. Die Folge aber ist      
  31 in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen      
  32 müsse) gar nicht bestimmt, und die Reihe der einander folgenden Vorstellungen      
  33 kann eben sowohl rückwärts als vorwärts genommen werden.      
  34 Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des Mannigfaltigen      
  35 einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Object bestimmt,      
  36 oder, genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der successiven      
  37 Synthesis, die ein Object bestimmt, nach welcher etwas nothwendig vorausgehen,      
           
     

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