Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 169

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gegenstand unbekannt ist; was verstehe ich also unter der Frage:      
  02 wie das Mannigfaltige in der Erscheinung selbst (die doch nichts an sich      
  03 selbst ist) verbunden sein möge? Hier wird das, was in der successiven      
  04 Apprehension liegt, als Vorstellung, die Erscheinung aber, die mir gegeben      
  05 ist, unerachtet sie nichts weiter als ein Inbegriff dieser Vorstellungen      
  06 ist, als der Gegenstand derselben betrachtet, mit welchem mein Begriff, den      
  07 ich aus den Vorstellungen der Apprehension ziehe, zusammenstimmen soll.      
  08 Man sieht bald, daß, weil Übereinstimmung der Erkenntniß mit dem Object      
  09 Wahrheit ist, hier nur nach den formalen Bedingungen der empirischen      
  10 Wahrheit gefragt werden kann, und Erscheinung im Gegenverhältniß mit      
  11 den Vorstellungen der Apprehension nur dadurch als das davon unterschiedene      
  12 Object derselben könne vorgestellt werden, wenn sie unter einer      
  13 Regel steht, welche sie von jeder andern Apprehension unterscheidet und      
  14 eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen nothwendig macht. Dasjenige      
  15 an der Erscheinung, was die Bedingung dieser nothwendigen Regel      
  16 der Apprehension enthält, ist das Object.      
           
  17 Nun laßt uns zu unsrer Aufgabe fortgehen. Daß etwas geschehe,      
  18 d. i. etwas oder ein Zustand werde, der vorher nicht war, kann nicht empirisch      
  19 wahrgenommen werden, wo nicht eine Erscheinung vorhergeht,      
  20 welche diesen Zustand nicht in sich enthält; denn eine Wirklichkeit, die auf      
  21 eine leere Zeit folge, mithin ein Entstehen, vor dem kein Zustand der      
  22 Dinge vorhergeht, kann eben so wenig, als die leere Zeit selbst apprehendirt      
  23 werden. Jede Apprehension einer Begebenheit ist also eine Wahrnehmung,      
  24 welche auf eine andere folgt. Weil dieses aber bei aller Synthesis      
  25 der Apprehension so beschaffen ist, wie ich oben an der Erscheinung      
  26 eines Hauses gezeigt habe, so unterscheidet sie sich dadurch noch nicht von      
  27 andern. Allein ich bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erscheinung,      
  28 welche ein Geschehen enthält, den vorhergehenden Zustand der Wahrnehmung      
  29 A, den folgenden aber B nenne, daß B auf A in der Apprehension      
  30 nur folgen, die Wahrnehmung A aber auf B nicht folgen, sondern nur vorhergehen      
  31 kann. Ich sehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Meine      
  32 Wahrnehmung seiner Stelle unterhalb folgt auf die Wahrnehmung der      
  33 Stelle desselben oberhalb dem Laufe des Flusses, und es ist unmöglich,      
  34 daß in der Apprehension dieser Erscheinung das Schiff zuerst unterhalb,      
  35 nachher aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden sollte. Die      
  36 Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehension ist hier      
  37 also bestimmt, und an dieselbe ist die letztere gebunden. In dem vorigen      
           
     

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