Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 160 |
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Text (Kant):
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| 01 | apprehendirt wird, a priori dergestalt bestimmt sein, daß die Regel | ||||||
| 02 | ihrer Synthesis zugleich diese Anschauung a priori in jedem vorliegenden | ||||||
| 03 | empirischen Beispiele geben, d. i. sie daraus zu Stande bringen kann. | ||||||
| 04 | Allein das Dasein der Erscheinungen kann a priori nicht erkannt werden; | ||||||
| 05 | und ob wir gleich auf diesem Wege dahin gelangen könnten, auf irgend | ||||||
| 06 | ein Dasein zu schließen, so würden wir dieses doch nicht bestimmt erkennen, | ||||||
| 07 | d. i. das, wodurch seine empirische Anschauung sich von andern | ||||||
| 08 | Unterschiede, anticipiren können. | ||||||
| 09 | Die vorigen zwei Grundsätze, welche ich die mathematische nannte, in | ||||||
| 10 | Betracht dessen, daß sie die Mathematik auf Erscheinungen anzuwenden | ||||||
| 11 | berechtigten, gingen auf Erscheinungen ihrer bloßen Möglichkeit nach und | ||||||
| 12 | lehrten, wie sie sowohl ihrer Anschauung als dem Realen ihrer Wahrnehmung | ||||||
| 13 | nach nach Regeln einer mathematischen Synthesis erzeugt werden | ||||||
| 14 | könnten; daher sowohl bei der einen, als bei der andern die Zahlgrößen | ||||||
| 15 | und mit ihnen die Bestimmung der Erscheinung als Größe gebraucht | ||||||
| 16 | werden können. So werde ich z. B. den Grad der Empfindungen | ||||||
| 17 | des Sonnenlichts aus etwa 200000 Erleuchtungen durch den Mond zusammensetzen | ||||||
| 18 | und a priori bestimmt geben, d. i. construiren können. Daher | ||||||
| 19 | können wir die ersteren Grundsätze constitutive nennen. | ||||||
| 20 | Ganz anders muß es mit denen bewandt sein, die das Dasein der | ||||||
| 21 | Erscheinungen a priori unter Regeln bringen sollen. Denn da dieses sich | ||||||
| 22 | nicht construiren läßt, so werden sie nur auf das Verhältniß des Daseins | ||||||
| 23 | gehen und keine andre als bloß regulative Principien abgeben können. | ||||||
| 24 | Da ist also weder an Axiomen, noch an Anticipationen zu denken; sondern | ||||||
| 25 | wenn uns eine Wahrnehmung in einem Zeitverhältnisse gegen andere | ||||||
| 26 | (obzwar unbestimmte) gegeben ist, so wird a priori nicht gesagt werden | ||||||
| 27 | können: welche andere und wie große Wahrnehmung, sondern wie | ||||||
| 28 | sie dem Dasein nach in diesem modo der Zeit mit jener nothwendig verbunden | ||||||
| 29 | sei. In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes | ||||||
| 30 | von demjenigen, was sie in der Mathematik vorstellen. In dieser | ||||||
| 31 | sind es Formeln, welche die Gleichheit zweier Größenverhältnisse aussagen, | ||||||
| 32 | und jederzeit constitutiv, so daß, wenn drei Glieder der Proportion | ||||||
| 33 | gegeben sind, auch das vierte dadurch gegeben wird, d. i. construirt | ||||||
| 34 | werden kann. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit | ||||||
| 35 | zweier quantitativen, sondern qualitativen Verhältnisse, wo ich | ||||||
| 36 | aus drei gegebenen Gliedern nur das Verhältniß zu einem vierten, nicht | ||||||
| 37 | aber dieses vierte Glied selbst erkennen und a priori geben kann, wohl | ||||||
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