Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 214 |
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01 | wird, ist abenteuerlich.*) Unnatürliche Dinge, in so fern das Erhabene | ||||||
02 | darin gemeint ist, ob es gleich wenig oder gar nicht angetroffen wird, sind | ||||||
03 | Fratzen. Wer das Abenteuerliche liebt und glaubt, ist ein Phantast, | ||||||
04 | die Neigung zu Fratzen macht den Grillenfänger. Andererseits artet | ||||||
05 | das Gefühl des Schönen aus, wenn das Edle dabei gänzlich mangelt, | ||||||
06 | und man nennt es läppisch. Eine Mannsperson von dieser Eigenschaft, | ||||||
07 | wenn sie jung ist, heißt ein Laffe; ist sie im mittleren Alter, so ist es ein | ||||||
08 | Geck. Weil dem höheren Alter das Erhabene am nothwendigsten ist, so | ||||||
09 | ist ein alter Geck das verächtlichste Geschöpf in der Natur, so wie ein | ||||||
10 | junger Grillenfänger das widrigste und unleidlichste ist. Scherze und | ||||||
11 | Munterkeit schlagen in das Gefühl des Schönen ein. Gleichwohl kann | ||||||
12 | noch ziemlich viel Verstand hindurchscheinen, und in so fern können sie | ||||||
13 | mehr oder weniger dem Erhabenen verwandt sein. Der, in dessen Munterkeit | ||||||
14 | diese Dazumischung unmerklich ist, faselt. Der beständig faselt, | ||||||
15 | ist albern. Man merkt leicht, daß auch kluge Leute bisweilen faseln, und | ||||||
16 | daß nicht wenig Geist dazu gehöre den Verstand eine kurze Zeit von seinem | ||||||
17 | Posten abzurufen, ohne daß dabei etwas versehen wird. Derjenige, | ||||||
18 | dessen Reden oder Handlungen weder belustigen noch rühren, ist langweilig. | ||||||
19 | Der Langweilige, in so fern er gleichwohl beides zu thun geschäftig | ||||||
20 | ist, ist abgeschmackt. Der Abgeschmackte, wenn er aufgeblasen | ||||||
21 | ist, ist ein Narr.**) | ||||||
22 | Ich will diesen wunderlichen Abriß der menschlichen Schwachheiten | ||||||
23 | durch Beispiele etwas verständlicher machen; denn der, welchem Hogarths | ||||||
24 | Grabstichel fehlt, muß, was der Zeichnung am Ausdrucke mangelt, durch | ||||||
25 | Beschreibung ersetzen. Kühne Unternehmung der Gefahren für unsere, des | ||||||
26 | Vaterlandes, oder unserer Freunde Rechte ist erhaben. Die Kreuzzüge, | ||||||
27 | die alte Ritterschaft waren abenteuerlich; die Duelle, ein elender Rest | ||||||
*) In so fern die Erhabenheit oder Schönheit das bekannte Mittelmaß überschreitet, so pflegt man sie romanisch zu nennen. | |||||||
**) Man bemerkt bald, daß diese ehrwürdige Gesellschaft sich in zwei Logen theile, in die der Grillenfänger und die der Gecken. Ein gelehrter Grillenfänger wird bescheidentlich ein Pedant genannt. Wenn er die trotzige Weisheitsmiene annimmt, wie die Dunse alter und neuer Zeiten, so steht ihm die Kappe mit Schellen gut zum Gesichte. Die Classe der Gecken wird mehr in der großen Welt angetroffen. Sie ist vielleicht noch besser als die erstere. Man hat an ihnen viel zu verdienen und viel zu lachen. In dieser Caricatur macht gleichwohl einer dem andern ein schief Maul und stößt mit seinem leeren Kopf an den Kopf seines Bruders. | |||||||
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