Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 213

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Person ist vielleicht tadelhaft, aber doch schön und wird gemeiniglich      
  02 dem ehrbaren, ernsthaften Anstande vorgezogen.      
           
  03 Die Gestalt der Personen, die durch ihr äußeres Ansehen gefallen,      
  04 schlägt bald in eine, bald in die andere Art des Gefühls ein. Eine große      
  05 Statur erwirbt sich Ansehen und Achtung, eine kleine mehr Vertraulichkeit.      
  06 Selbst die bräunliche Farbe und schwarze Augen sind dem Erhabenen,      
  07 blaue Augen und blonde Farbe dem Schönen näher verwandt. Ein      
  08 etwas größeres Alter vereinbart sich mehr mit den Eigenschaften des Erhabenen,      
  09 Jugend aber mit denen des Schönen. So ist es auch mit dem      
  10 Unterschiede der Stände bewandt, und in allen diesen nur erwähnten Beziehungen      
  11 müssen sogar die Kleidungen auf diesen Unterschied des Gefühls      
  12 eintreffen. Große, ansehnliche Personen müssen Einfalt, höchstens      
  13 Pracht in ihrer Kleidung beobachten, kleine können geputzt und geschmückt      
  14 sein. Dem Alter geziemen dunklere Farben und Einförmigkeit im Anzuge,      
  15 die Jugend schimmert durch hellere und lebhaft abstechende Kleidungsstücke.      
  16 Unter den Ständen muß bei gleichem Vermögen und Range      
  17 der Geistliche die größte Einfalt, der Staatsmann die meiste Pracht zeigen.      
  18 Der Cicisbeo kann sich ausputzen, wie es ihm beliebt.      
           
  19 Auch in äußerlichen Glücksumständen ist etwas, das wenigstens nach      
  20 dem Wahne der Menschen in diese Empfindungen einschlägt. Geburt und      
  21 Titel finden die Menschen gemeiniglich zur Achtung geneigt. Reichthum      
  22 auch ohne Verdienste wird selbst von Uneigennützigen geehrt, vermuthlich      
  23 weil sich mit seiner Vorstellung Entwürfe von großen Handlungen vereinbaren,      
  24 die dadurch könnten ausgeführt werden. Diese Achtung trifft      
  25 gelegentlich auch manchen reichen Schurken, der solche Handlungen niemals      
  26 ausüben wird und von dem edlen Gefühl keinen Begriff hat, welches      
  27 Reichthümer einzig und allein schätzbar machen kann. Was das Übel der      
  28 Armuth vergrößert, ist die Geringschätzung, welche auch nicht durch Verdienste      
  29 gänzlich kann überwogen werden, wenigstens nicht vor gemeinen      
  30 Augen, wo nicht Rang und Titel dieses plumpe Gefühl täuschen und einigermaßen      
  31 zu dessen Vortheil hintergehen.      
           
  32 In der menschlichen Natur finden sich niemals rühmliche Eigenschaften,      
  33 ohne daß zugleich Abartungen derselben durch unendliche Schattirungen      
  34 bis zur äußersten Unvollkommenheit übergehen sollten. Die      
  35 Eigenschaft des Schrecklich=Erhabenen, wenn sie ganz unnatürlich      
           
     

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