Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 143 |
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| 01 | Die Nutzen der so großen Eccentricität werden in diesem Fall mit großer | ||||||
| 02 | Kühnheit ersonnen, denn es ist eher begreiflich, daß ein Weltkörper, in | ||||||
| 03 | einer Himmelsregion, welche es auch sei, in gleichem Abstande immer bewegt, | ||||||
| 04 | die dieser Weite gemäße Einrichtung habe, als daß er auf die große | ||||||
| 05 | Verschiedenheit der Weiten gleich vortheilhaft eingerichtet sei; und was | ||||||
| 06 | die Vortheile, die Newton anführt, anlangt, so ist sichtbar, daß sie sonst | ||||||
| 07 | nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit haben, außer daß bei der einmal voraus | ||||||
| 08 | gesetzten unmittelbaren göttlichen Anordnung sie doch zum mindesten | ||||||
| 09 | zu einigem Vorwande eines Zweckes dienen können. | ||||||
| 10 | Am deutlichsten fällt dieser Fehler, den Bau der Planetenwelt göttlichen | ||||||
| 11 | Absichten unmittelbar unter zu ordnen, in die Augen, da wo man | ||||||
| 12 | von der mit der Zunahme der Entfernungen umgekehrt abnehmenden | ||||||
| 13 | Dichtigkeit der Planeten Bewegungsgründe erdichten will. Der Sonnen | ||||||
| 14 | Wirkung, heißt es, nimmt in diesem Maße ab, und es war anständig, daß | ||||||
| 15 | die Dichtigkeit der Körper, die durch sie sollten erwärmt werden, auch | ||||||
| 16 | dieser proportionirlich eingerichtet würde. Nun ist bekannt, daß die Sonne | ||||||
| 17 | nur eine geringe Tiefe unter die Oberfläche eines Weltkörpers wirkt, und | ||||||
| 18 | aus ihrem Einflusse denselben zu erwärmen kann also nicht auf die Dichtigkeit | ||||||
| 19 | des ganzen Klumpens geschlossen werden. Hier ist die Folgerung | ||||||
| 20 | aus dem Zwecke viel zu groß. Das Mittel, nämlich die verminderte Dichtigkeit | ||||||
| 21 | des ganzen Klumpens, begreift eine Weitläuftigkeit der Anstalt, | ||||||
| 22 | welche für die Größe des Zwecks überflüssig und unnöthig ist. | ||||||
| 23 | In allen natürlichen Hervorbringungen, in so fern sie auf Wohlgereimtheit, | ||||||
| 24 | Ordnung und Nutzen hinauslaufen, zeigen sich zwar Übereinstimmungen | ||||||
| 25 | mit göttlichen Absichten, aber auch Merkmale des Ursprungs | ||||||
| 26 | aus allgemeinen Gesetzen, deren Folgen sich noch viel weiter als auf solchen | ||||||
| 27 | einzelnen Fall erstrecken und demnach in jeder einzelnen Wirkung | ||||||
| 28 | Spuren von einer Vermengung solcher Gesetze an sich zeigen, die nicht | ||||||
| 29 | lediglich auf dieses einzige Product gerichtet waren. Um deswillen finden | ||||||
| 30 | auch Abweichungen von der größt möglichen Genauigkeit in Ansehung | ||||||
| 31 | eines besondern Zwecks statt. Dagegen wird eine unmittelbar übernatürliche | ||||||
| 32 | Anstalt, darum weil ihre Ausführung gar nicht die Folgen aus allgemeinern | ||||||
| 33 | Wirkungsgesetzen der Materie voraus setzt, auch nicht durch | ||||||
| 34 | besondere sich einmengende Nebenfolgen derselben entstellt werden, sondern | ||||||
| 35 | den Plan der äußerst möglichen Richtigkeit genau zu Stande bringen. | ||||||
| 36 | In den näheren Theilen der Planetenwelt zum gemeinschaftlichen Mittelpunkte | ||||||
| 37 | ist eine größere Annäherung zur völligen Ordnung und abgemessenen | ||||||
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