Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 131 |
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01 | andern erhöhen, bis dasjenige, was sie vom Grunde fortreißen, wenn sie | ||||||
02 | angeschwollen sind, demjenigen, was sie in den Zeiten der trägeren Bewegung | ||||||
03 | fallen lassen, ziemlich gleich ist. Die Gewalt wirkt hier so lange, | ||||||
04 | bis sie sich selbst zum gemäßigtern Grade gebracht hat, und bis die | ||||||
05 | Wechselwirkung des Anstoßes und des Widerstandes zur Gleichheit ausgeschlagen | ||||||
06 | ist. | ||||||
07 | Die Natur bietet unzählige Beispiele von einer ausgebreiteten Nutzbarkeit | ||||||
08 | einer und eben derselben Sache zu einem vielfältigen Gebrauche | ||||||
09 | dar. Es ist sehr verkehrt diese Vortheile sogleich als Zwecke und als diejenigen | ||||||
10 | Erfolge anzusehen, welche die Bewegungsgründe enthielten, weswegen | ||||||
11 | die Ursachen derselben durch göttliche Willkür in der Welt angeordnet | ||||||
12 | würden. Der Mond schafft unter andern Vortheilen auch diesen, | ||||||
13 | daß Ebbe und Fluth Schiffe auch wider oder ohne Winde vermittelst der | ||||||
14 | Ströme in den Straßen und nahe beim festen Lande in Bewegung setzen. | ||||||
15 | Vermittelst seiner und der Jupiters=Trabanten findet man die Länge des | ||||||
16 | Meers. Die Producte aus allen Naturreichen haben ein jedes eine große | ||||||
17 | Nutzbarkeit, wovon man einige auch zum Gebrauche macht. Es ist eine | ||||||
18 | widersinnige Art zu urtheilen, wenn man, wie es gemeiniglich geschieht, | ||||||
19 | diese alle zu den Bewegungsgründen der göttlichen Wahl zählt und sich | ||||||
20 | wegen des Vortheils der Jupitersmonde auf die weise Anstalt des Urhebers | ||||||
21 | beruft, die den Menschen dadurch ein Mittel die Länge der Örter | ||||||
22 | zu bestimmen hat an die Hand geben wollen. Man hüte sich, daß man die | ||||||
23 | Spötterei eines Voltaire nicht mit Recht auf sich ziehe, der in einem ähnlichen | ||||||
24 | Tone sagt: sehet da, warum wir Nasen haben; ohne Zweifel damit | ||||||
25 | wir Brillen darauf stecken könnten. Durch die göttliche Willkür wird noch | ||||||
26 | nicht genugsamer Grund angegeben, weswegen eben dieselbe Mittel, die | ||||||
27 | einen Zweck zu erreichen allein nöthig wären, noch in so viel anderer Beziehung | ||||||
28 | vortheilhaft seien. Diejenige bewundernswürdige Gemeinschaft, | ||||||
29 | die unter den Wesen alles Erschaffenen herrscht, daß ihre Naturen einander | ||||||
30 | nicht fremd sind, sondern, in vielfacher Harmonie verknüpft, sich zu | ||||||
31 | einander von selbst schicken und eine ausgebreitete nothwendige Vereinbarung | ||||||
32 | zur gesammten Vollkommenheit in ihren Wesen enthalten, das ist | ||||||
33 | der Grund so mannigfaltiger Nutzbarkeiten, die man nach unserer Methode | ||||||
34 | als Beweisthümer eines höchst weisen Urhebers, aber nicht in allen | ||||||
35 | Fällen als Anstalten, die durch besondere Weisheit mit den übrigen um | ||||||
36 | der besondern Nebenvortheile willen verbunden worden, ansehen kann. | ||||||
37 | Ohne Zweifel sind die Bewegungsgründe, weswegen Jupiter Monde | ||||||
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