Kant: AA II, Die falsche Spitzfindigkeit der ... , Seite 052 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | In der zweiten Figur sind keine andere als vermischte |
||||||
02 | Vernunftschlüsse möglich. |
||||||
03 | Die Regel der zweiten Figur ist diese: Wem ein Merkmal eines | ||||||
04 | Dinges widerspricht, das widerspricht dem Dinge selber. Dieser Satz ist | ||||||
05 | nur darum wahr, weil dasjenige, dem ein Merkmal widerspricht, das | ||||||
06 | widerspricht auch diesem Merkmal, was aber einem Merkmal widerspricht, | ||||||
07 | widerstreitet der Sache selbst, also dasjenige, dem ein Merkmal einer Sache | ||||||
08 | widerspricht, das widerstreitet der Sache selber. Hier ist nun offenbar, daß | ||||||
09 | blos deswegen, weil ich den Obersatz als einen verneinenden Satz schlechthin | ||||||
10 | umkehren kann, eine Schlußfolge vermittelst des Untersatzes auf die | ||||||
11 | Conclusion möglich ist. Demnach muß diese Umkehrung dabei geheim gedacht | ||||||
12 | werden, sonst schließen meine Sätze nicht. Der durch die Umkehrung | ||||||
13 | heraus gebrachte Satz aber ist eine eingeschobene unmittelbare Folge aus | ||||||
14 | dem ersteren, und der Vernunftschluß hat vier Urtheile und ist ein ratiocinium | ||||||
15 | hybridum , z. E. wenn ich sage: | ||||||
16 | Kein Geist ist theilbar; | ||||||
17 | Alle Materie ist theilbar; | ||||||
18 | Folglich ist keine Materie ein Geist, | ||||||
19 | so schließe ich recht, nur die Schlußkraft steckt darin, weil aus dem ersten | ||||||
20 | Satz: kein Geist ist theilbar, durch eine unmittelbare Folgerung fließt: | ||||||
21 | folglich nichts Theilbares ist ein Geist, und nach diesem alles nach | ||||||
22 | der allgemeinen Regel aller Vernunftschlüsse richtig folgt. Aber da nur | ||||||
23 | Kraft dieser daraus zu ziehenden unmittelbaren Folgerung eine Schlußfähigkeit | ||||||
24 | in dem Argumente ist, so gehört dieselbe mit dazu, und er hat | ||||||
25 | vier Urtheile: | ||||||
26 | Kein Geist ist theilbar; | ||||||
27 | Und daher nichts Theilbares ist ein Geist; | ||||||
28 | Alle Materie ist theilbar; | ||||||
29 | Mithin keine Materie ist ein Geist. | ||||||
30 | In der dritten Figur sind keine andere als vermischte |
||||||
31 | Vernunftschlüsse möglich. |
||||||
32 | Die Regel der dritten Figur ist folgende: Was einer Sache zukommt | ||||||
33 | oder widerspricht, das kommt auch zu oder widerspricht einigen, die unter | ||||||
34 | einem andern Merkmale dieser Sache enthalten sind. Dieser Satz selber | ||||||
[ Seite 051 ] [ Seite 053 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |