Kant: AA II, Die falsche Spitzfindigkeit der ... , Seite 051 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Nichts Verwesliches ist einfach; | ||||||
02 | Die Seele des Menschen ist einfach; | ||||||
03 | Also die Seele des Menschen ist nicht verweslich, | ||||||
04 | sei nur in so fern eine richtige Folge, als ich durch eine ganz richtige Umkehrung | ||||||
05 | des Obersatzes sagen kann: nichts Verwesliches ist einfach, folglich | ||||||
06 | nichts Einfaches ist verweslich, so bleibt der Vernunftschluß immer ein | ||||||
07 | vermischter Schluß, weil seine Schlußkraft auf der geheimen Dazufügung | ||||||
08 | dieser unmittelbaren Folgerung beruht, die man wenigstens in Gedanken | ||||||
09 | haben muß. | ||||||
10 | § 4. |
||||||
11 | In der so genannten ersten Figur sind einzig und allein reine |
||||||
12 | Vernunftschlüsse möglich, in den drei übrigen lediglich |
||||||
13 | vermischte. |
||||||
14 | Wenn ein Vernunftschluß unmittelbar nach einer von unsern zwei | ||||||
15 | oben angeführten obersten Regeln geführt wird, so ist er jederzeit in der | ||||||
16 | ersten Figur. Die erste Regel heißt also: ein Merkmal B von einem Merkmal | ||||||
17 | C einer Sache A ist ein Merkmal der Sache A selbst. Hieraus entspringen | ||||||
18 | drei Sätze: | ||||||
19 | C B | ||||||
20 | C hat zum Merkmal B; | Was vernünftig ist, ist ein Geist; | |||||
21 | A C | ||||||
22 | A hat zum Merkmal C; | Die menschl. Seele ist vernünftig; | |||||
23 | A B | ||||||
24 | Also A hat z. Merkm. B. | Also ist die menschl. Seele ein Geist. | |||||
25 | Es ist sehr leicht, mehr ähnliche Sätze und unter andern auch auf die | ||||||
26 | Regel der verneinenden Schlüsse anzuwenden, um sich zu überzeugen, daß, | ||||||
27 | wenn sie diesen gemäß sind, sie jederzeit in der ersten Figur stehen, so daß | ||||||
28 | ich hier mit Recht eine ekelhafte Weitläuftigkeit zu verhüten suche. Man | ||||||
29 | wird auch leichtlich gewahr, daß diese Regeln der Vernunftschlüsse nicht | ||||||
30 | erfordern, daß außer diesen Urtheilen irgend dazwischen eine unmittelbare | ||||||
31 | Schlußfolge aus einem oder andern derselben müsse geschoben werden, | ||||||
32 | wofern das Argument soll bündig sein, daher ist der Vernunftschluß in | ||||||
33 | der ersten Figur von reiner Art. | ||||||
[ Seite 050 ] [ Seite 052 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |