Kant: AA II, Gedanken bei dem ... , Seite 043

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Stunde hinweg führte; indessen daß Freunde und Verwandte, unwissend      
  02 des Künftigen, den Verlust derjenigen Jahre beweinen, von denen      
  03 sie sich einbilden, daß sie das Leben ihres Angehörigen dereinst rühmlich      
  04 würden gekrönt haben. Ich will, ehe ich diese wenige Zeilen schließe,      
  05 eine kleine Zeichnung von dem Leben und dem Charakter des selig Verstorbenen      
  06 entwerfen. Das, was ich anführe, ist mir aus der Nachricht      
  07 seines getreuen Herrn Hofmeisters, der ihn zärtlich beweint, und aus      
  08 meiner eigenen Kenntniß bekannt. Wie viel gute Eigenschaften giebt es      
  09 nicht noch, die nur derjenige kennt, der ins Innerste der Herzen sieht, und      
  10 die um desto edler sind, je weniger sie bestrebt sind, öffentlich in die Augen      
  11 zu fallen!      
           
  12 Herr Johann Friedrich von Funk war den 4. Octobr. 1738 aus      
  13 einem vornehmen adlichen Hause in Kurland geboren. Er hat von Kindheit      
  14 an niemals einer vollkommenen Gesundheit genossen. Er wurde mit      
  15 großer Sorgfalt erzogen, bezeigte viel Fleiß im Studiren und hatte ein      
  16 Herz, welches von Natur dazu gemacht war, um zu edlen Eigenschaften      
  17 gebildet zu werden. Er kam den 15. Juni 1759 nebst seinem jüngern      
  18 Herrn Bruder unter der Anführung ihres Herrn Hofmeisters auf hiesige      
  19 Akademie. Er unterwarf sich mit aller Bereitwilligkeit dem Examen des      
  20 damaligen Herrn Decanus und machte seinem Fleiße und der Unterweisung      
  21 seines Herrn Hofmeisters Ehre. Er wohnte den Vorlesungen des      
  22 Herren Consistorialraths und Professors Teske, jetziger Zeit Rectoris Magnifici      
  23 der Universität, imgleichen denen des Herren Doct. der Rechtsgelehrsamkeit      
  24 Funck und den meinigen mit einer Unverdrossenheit bei, die zum      
  25 Muster diente. Er lebte eingezogen und still, wodurch Er auch die wenige      
  26 Kräfte seines zur Abzehrung geneigten Körpers noch erhielt, bis Er gegen      
  27 das Ende des Februars dieses Jahres davon nach und nach so angegriffen      
  28 wurde, daß Ihn weder die Pflege und Sorgfalt, die an Ihn gewandt      
  29 war, noch der Fleiß eines geschickten Arztes länger erhalten konnte; so daß      
  30 Er den 4. Mai dieses Jahres, nachdem Er sich mit der Standhaftigkeit      
  31 und feurigen Andacht eines Christen zu einem erbaulichen Ende vorbereitet      
  32 hatte, unter dem Beistande seines getreuen Seelsorgers sanft und      
  33 selig verschied und in der hiesigen Kathedralkirche standesmäßig beerdigt      
  34 ward.      
           
  35 Er war von sanfter und gelassener Gemüthsart, leutselig und bescheiden      
  36 gegen jedermann, gütig und zum allgemeinen Wohlwollen geneigt,      
  37 eifrig beflissen, um sich zur Zierde seines Hauses und zum Nutzen seines      
           
     

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