Kant: AA II, Gedanken bei dem ... , Seite 044

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vaterlandes gehörig auszubilden. Er hat niemals jemand wodurch anders      
  02 betrübt als durch seinen Tod. Er befliß sich einer ungeheuchelten      
  03 Frömmigkeit. Er wäre ein rechtschaffener Bürger für die Welt geworden,      
  04 allein der Rathschluß des Höchsten wollte, daß er einer im Himmel werden      
  05 sollte. Sein Leben ist ein Fragment, welches uns das übrige hat wünschen      
  06 lassen, dessen uns ein früher Tod beraubt hat.      
           
  07 Er würde verdienen denjenigen zum Muster vorgestellt zu werden,      
  08 die die Jahre ihrer Erziehung und Jugend rühmlich zurückzulegen denken,      
  09 wenn ein stilles Verdienst auf flatterhafte Gemüther eben den Eindruck      
  10 der Nacheiferung wirkte, als die falsch schimmernde Eigenschaften derjenigen      
  11 thun, deren Eitelkeit nur auf den Schein der Tugend geht, ohne sich      
  12 um das Wesen derselben zu bekümmern. Er ist von denen, welchen er angehörte,      
  13 von seinen Freunden und allen denen, die Ihn kannten, sehr bedauert      
  14 worden.      
           
  15 Dieses sind, Gnädige Frau, die Züge von dem Charakter Dero      
  16 vormals im Leben mit Recht so geliebten Herren Sohns, welche, so      
  17 schwach sie auch entworfen worden, gleichwohl viel zu sehr die Wehmuth      
  18 erneuern werden, die Sie über seinen Verlust empfinden. Aber eben diese      
  19 bedauerte Eigenschaften sind es, die in solchem Verluste zu nicht geringem      
  20 Troste gereichen; denn nur denen, welche die wichtigste unter allen Absichten      
  21 leichtsinnig aus den Augen setzen, kann es gleich viel sein, in welchem      
  22 Zustande sie die Ihrigen der Ewigkeit überliefern. Ich überhebe mich      
  23 der Bemühung, Ew. Gnaden weitläuftige Trostgründe in dieser Betrübni      
  24 darzulegen. Die demüthige Entsagung unserer eigenen Wünsche, wenn      
  25 es der weisesten Vorsehung gefällt ein anderes zu beschließen, und die      
  26 christliche Sehnsucht nach einerlei seligem Ziele, zu welchem andere vor      
  27 uns gelangt sind, vermögen mehr zur Beruhigung des Herzens, als alle      
  28 Gründe einer trockenen und kraftlosen Beredsamkeit. Ich habe die Ehre      
  29 mit größtem Respect zu sein,      
           
  30 Hochwohlgeborne Frau,      
  31 Gnädige Frau Rittmeisterin,      
           
  32   Ew. Gnaden        
  33 Königsberg,          
  34 Den 6. Jun. 1760.   gehorsamster Diener      
  35     I. Kant.      
           
           
     

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