Kant: AA II, Versuch einiger Betrachtungen ... , Seite 030 |
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01 | wählen, nicht weil sie besser war als die übrige, die in seiner Gewalt | ||||||
02 | waren, sondern weil es kurzum ihm so beliebte. Und warum beliebte es | ||||||
03 | denn dir, du Ewiger, frage ich mit Demuth, das Schlechtere dem Bessern | ||||||
04 | vorzuziehen? Und Menschen legen dem Allerhöchsten die Antwort in den | ||||||
05 | Mund: Es gefiel mir also, und das ist genug. | ||||||
06 | Ich entwerfe jetzt mit einiger Eilfertigkeit Anmerkungen, die das Urtheil | ||||||
07 | über die Streitigkeit erleichtern können, welche sich hierüber erhoben | ||||||
08 | hat. Meine Herren Zuhörer werden sie vielleicht dienlich finden, den Vortrag, | ||||||
09 | den ich über diesen Artikel in den Vorlesungen thue, in seinem Zusammenhange | ||||||
10 | besser einzusehen. Ich fange demnach also an zu schließen. | ||||||
11 | Wenn keine Welt gedacht werden kann, über die sich nicht noch eine | ||||||
12 | bessere denken ließe, so hat der höchste Verstand unmöglich die Erkenntniß | ||||||
13 | aller möglichen Welten haben können; nun ist das letztere falsch, also auch | ||||||
14 | das erstere. Die Richtigkeit des Obersatzes erhellt also: wenn ich es von | ||||||
15 | einer jeden einzelnen Idee, die man sich nur von einer Welt machen mag, | ||||||
16 | sagen kann, daß die Vorstellung einer noch bessern möglich sei, so kann | ||||||
17 | dieses auch von allen Ideen der Welten im göttlichen Verstande gesagt | ||||||
18 | werden; also sind bessere Welten möglich als alle, die so von Gott erkannt | ||||||
19 | werden, und Gott hat nicht von allen möglichen Welten Kenntniß gehabt. | ||||||
20 | Ich bilde mir ein, daß der Untersatz von jedem Rechtgläubigen werde eingeräumt | ||||||
21 | werden, und schließe, daß es falsch sei, zu behaupten, es könne | ||||||
22 | keine Welt gedacht werden, über die sich nicht noch eine bessere denken | ||||||
23 | ließe, oder, welches einerlei ist, es ist eine Welt möglich, über die sich keine | ||||||
24 | bessere denken läßt. Hieraus folgt nun zwar freilich nicht, daß eine unter | ||||||
25 | allen möglichen Welten müsse die vollkommenste sein, denn wenn zwei | ||||||
26 | oder mehrere derselben an Vollkommenheit gleich wären, so würde, wenn | ||||||
27 | gleich keine bessere als eine von beiden könnte gedacht werden, doch keine | ||||||
28 | die beste sein, weil beide einerlei Grad der Güte haben. | ||||||
29 | Um diesen zweiten Schluß machen zu können, stelle ich folgende Betrachtung | ||||||
30 | an, die mir neu zu sein scheint. Man erlaube mir zuvörderst, | ||||||
31 | daß ich die absolute Vollkommenheit)* eines Dinges, wenn man sie ohne | ||||||
*) Die Vollkommenheit im respectiven Verstande ist die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu einer gewissen Regel, diese mag sein, welche sie wolle. So ist mancher Betrug, manche Räuberrotte vollkommen in ihrer Art. Allein im absoluten Verstande ist etwas nur vollkommen, in so fern das Mannigfaltige in demselben den Grund einer Realität in sich enthält. Die Größe dieser Realität bestimmt den Grad der Vollkommenheit. Und weil Gott die höchste Realität ist, so würde [Seitenumbruch] dieser Begriff mit demjenigen übereintreffen, da man sagte, es ist etwas vollkommen, in so fern es mit den göttlichen Eigenschaften zusammenstimmt. | |||||||
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