Kant: AA II, Versuch einiger Betrachtungen ... , Seite 029

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Seitdem man sich von Gott einen geziemenden Begriff gemacht hat,      
  02 ist vielleicht kein Gedanke natürlicher gewesen, als dieser, daß, wenn er      
  03 wählt, er nur das Beste wähle. Wenn man vom Alexander sagte, daß er      
  04 glaubte nichts gethan zu haben, so lange für ihn noch etwas zu thun übrig      
  05 war, so wird sich dieses mit einer unendlich größeren Richtigkeit von dem      
  06 gütigsten und mächtigsten unter allen Wesen sagen lassen. Leibniz hat      
  07 auch damit nichts Neues vorzutragen geglaubt, wenn er sagte: diese Welt      
  08 sei unter allen möglichen die beste, oder welches eben so viel ist: der Inbegriff      
  09 alles dessen, was Gott außer sich hervor gebracht hat, ist das Beste,      
  10 was nur hervor zu bringen möglich war; sondern das Neue bestand nur      
  11 in der Anwendung, um bei den Schwierigkeiten, die man von dem Ursprunge      
  12 des Bösen macht, den Knoten abzuhauen, der so schwer aufzulösen      
  13 ist. Ein Gedanke, der so leicht, so natürlich ist, den man endlich so      
  14 oft sagt, daß er gemein wird und Leute von zärtlichem Geschmacke verekelt,      
  15 kann sich nicht lange im Ansehen erhalten. Was hat man denn für      
  16 Ehre davon, mit dem großen Haufen mit zu denken und einen Satz zu      
  17 behaupten, der so leicht zu beweisen ist? Subtile Irrthümer sind ein Reiz      
  18 für die Eigenliebe, welche die eigene Stärke gerne fühlt; offenbare Wahrheiten      
  19 hingegen werden so leicht und durch einen so gemeinen Verstand      
  20 eingesehen, daß es ihnen endlich so geht wie jenen Gesängen, welche man      
  21 nicht mehr ertragen kann, so bald sie aus dem Munde des Pöbels erschallen.      
  22 Mit einem Worte: man schätzt gewisse Erkenntnisse öfters nicht      
  23 darum hoch, weil sie richtig sind, sondern weil sie uns was kosten, und      
  24 man hat nicht gerne die Wahrheit gutes Kaufs. Diesemnach hat man es      
  25 erstlich außerordentlich, dann schön und endlich richtig gefunden, zu behaupten,      
  26 daß es Gott beliebt habe unter allen möglichen Welten diese zu      
           
     

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