Kant: AA II, Versuch einiger Betrachtungen ... , Seite 031

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 irgend eine Absicht für sich selbst betrachtet, in dem Grade der Realität      
  02 setze. Ich habe in dieser Voraussetzung die Beistimmung der meisten      
  03 Weltweisen auf meiner Seite und könnte sehr leicht diesen Begriff rechtfertigen.      
  04 Nun behaupte ich, daß Realität und Realität niemals als solche      
  05 können unterschieden sein. Denn wenn sich Dinge von einander unterscheiden,      
  06 so geschieht es durch dasjenige, was in dem einen ist und in dem      
  07 andern nicht ist. Wenn aber Realitäten als solche betrachtet werden, so ist      
  08 ein jedes Merkmal in ihnen positiv; sollten sich nun dieselbe von einander      
  09 als Realitäten unterscheiden, so müßte in der einen etwas Positives sein,      
  10 was in der andern nicht wäre, also würde in der einen etwas Negatives      
  11 gedacht werden, wodurch sie sich von der andern unterscheiden ließe, das      
  12 heißt, sie werden nicht als Realitäten mit einander verglichen, welches      
  13 doch gefordert wurde. Demnach unterscheiden sich Realität und Realität      
  14 von einander durch nichts als durch die einer von beiden anhängende      
  15 Negationen, Abwesenheiten, Schranken, das ist nicht in Ansehung ihrer      
  16 Beschaffenheit ( qualitate ), sondern Größe ( gradu ).      
           
  17 Demnach wenn Dinge von einander unterschieden sind, so unterscheiden      
  18 sie sich jederzeit nur durch den Grad ihrer Realität, und unterschiedliche      
  19 Dinge können nie einerlei Grad der Realität haben. Also      
  20 können ihn auch niemals zwei unterschiedene Welten haben; das heißt, es      
  21 sind nicht zwei Welten möglich, welche gleich gut, gleich vollkommen wären.      
  22 Herr Reinhard sagt in seiner Preisschrift vom Optimismus: eine Welt      
  23 könne wohl eben die Summe von Realitäten, aber anderer Art haben als      
  24 die andere, und alsdann wären es verschiedene Welten und doch von      
  25 gleicher Vollkommenheit. Allein er irrt in dem Gedanken, als wenn Realitäten      
  26 von gleichem Grad doch könnten in ihrer Beschaffenheit ( qualitate )      
  27 von einander unterschieden sein. Denn um es nochmals zu sagen, man      
  28 setze, daß sie es wären, so würde in einer etwas sein, was in der andern      
  29 nicht ist, also würden sie sich durch die Bestimmungen A und non A unterscheiden,      
  30 wovon die eine allemal eine wahrhafte Verneinung ist, mithin      
  31 durch die Schranken derselben und den Grad, nicht aber durch ihre Beschaffenheit;      
  32 denn die Verneinungen können niemals zu den Qualitäten      
  33 einer Realität gezählt werden, sondern sie schränken sie ein und bestimmen      
  34 ihren Grad. Diese Betrachtung ist abstract und würde wohl einiger Erläuterungen      
  35 bedürfen, welche ich aber anderer Gelegenheit vorbehalte.      
           
           
     

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