Kant: AA I, M. Immanuel Kants neue ... , Seite 501 |
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01 | die mehresten Naturforscher von der periodischen Veränderung der Winde | ||||||
02 | in dem gedachten Theile des südlichen Oceans keinen Grund angeben | ||||||
03 | können, weil das Gesetz ihnen nicht bekannt war, das wir in der dritten | ||||||
04 | Anmerkung ausgeführt haben. Diese Einsicht kann ungemein nützlich | ||||||
05 | werden, wenn man sie zu Entdeckung neuer Länder anwenden will. Wenn | ||||||
06 | ein Seefahrender in der südlichen Halbkugel nicht weit von dem Wendezirkel | ||||||
07 | zu der Zeit, wenn die Sonne denselben überschritten hat, einen anhaltenden | ||||||
08 | Nordwestwind verspürt, so kann dieses ihm ein beinahe untrügliches | ||||||
09 | Merkmal sein, daß gegen Süden hin ein weitgestrecktes festes Land | ||||||
10 | sein müsse, über welchem die Sonnenhitze die Äquatorsluft nöthigt zu | ||||||
11 | streichen und einen mit einer westlichen Abweichung verbundenen Nordwind | ||||||
12 | macht. Die Gegend von Neuholland giebt nach den jetzigen Wahrnehmungen | ||||||
13 | noch die größte Vermuthung eines daselbst befindlichen weit | ||||||
14 | ausgebreiteten Australlandes. Diejenige, welche das Stille Meer befahren, | ||||||
15 | können unmöglich alle Gegenden der südlichen Halbkugel durchsuchen, um | ||||||
16 | daselbst neue Länder auszuspähen. Sie müssen eine Anleitung haben, die | ||||||
17 | sie urtheilen läßt, auf welcher Seite sie solche wahrscheinlicher Weise antreffen | ||||||
18 | werden. Diese Anleitung könnten ihnen die Nordwestwinde geben, | ||||||
19 | die sie daselbst in großen Meeresstrichen zur Sommerszeit antreffen | ||||||
20 | möchten, denn diese sind Merkmale eines nahen Südlandes. | ||||||
21 | Beschluß. |
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22 | Es ist eine Qülle eines nicht gringen Vergnügens, wenn man, durch | ||||||
23 | die obige Anmerkungen vorbereitet, die Karte ansieht, worauf die beständige | ||||||
24 | oder periodischen Winde aller Meere anzutreffen sind; denn man ist | ||||||
25 | im Stande mit Hinzuziehung der Regel, daß die Küsten der Länder die | ||||||
26 | Richtung der Winde nahe bei denselben ihnen parallel machen, von allen | ||||||
27 | Winden Grund anzugeben. Die Zwischenzeiten der periodischen Winde, | ||||||
28 | die eine Zeit lang eine Gegend durchstreichen und hernach von entgegengesetzten | ||||||
29 | abgelöset werden, die Zwischenzeit dieser Abwechselung, sage ich, | ||||||
30 | ist mit Windstillen, Regen, Ungewittern und plötzlichen Orkanen beunruhigt. | ||||||
31 | Denn alsdann herrscht schon in der obern Luft der entgegengesetzte | ||||||
32 | Wind, wenn der vorige noch in der untern nicht völlig nachgelassen hat, | ||||||
33 | und indem beide gegen einander treiben, so halten sie sich endlich im | ||||||
34 | Gleichgewicht auf, verdicken die Dünste, die sie mit sich führen, und richten | ||||||
35 | alle die genannte Veränderungen an. Man kann es auch fast als eine | ||||||
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