Kant: AA I, M. Immanuel Kants neue ... , Seite 502 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | allgemeine Regel annehmen, daß Ungewitter durch einander entgegen | ||||||
02 | strebende Winde zusammen getrieben werden. Denn man bemerkt gemeiniglich, | ||||||
03 | daß nach dem Gewitter sich der Wind ändere. Nun war dieser | ||||||
04 | entgegengesetzte Wind schon wirklich vor dem Ungewitter in der obern | ||||||
05 | Luft anzutreffen, er war auch derjenige, welcher die Wettermaterie zusammen | ||||||
06 | trieb und die Wetterwolke über den Horizont führte, denn man findet | ||||||
07 | gewöhnlich, daß die Ungewitter dem untern Winde entgegen aufsteigen; | ||||||
08 | das Gewitter entstand, als die Winde sich im Gleichgewichte aufhielten, | ||||||
09 | und nach demselben behält der entgegengesetzte die Oberhand. Die anhaltende | ||||||
10 | Regen, die oft bei hohem Barometer als z. E. im vorigen Sommer | ||||||
11 | wahrgenommen werden, sind solchen einander in zwei Regionen entgegenstrebenden | ||||||
12 | Luftzügen mit vieler Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben. Man | ||||||
13 | kann die Bemerkung des Mariotte, daß die Winde, die im neuen Lichte | ||||||
14 | aus Norden zu wehen anfangen, ungefähr in 14 Tagen den ganzen Compa | ||||||
15 | durchlaufen, so daß sie erstlich in Nordost, dann in Osten, darauf in | ||||||
16 | Südost und so ferner herumgehen, imgleichen daß die Winde niemals den | ||||||
17 | ganzen Zirkel in entgegengesetzter Richtung vollenden, durch die Regel der | ||||||
18 | dritten Anmerkung vollkommen erklären. Denn der Nordwind schlägt | ||||||
19 | natürlicher Weise in einen Nordostwind aus; dieser, wenn das Gleichgewicht | ||||||
20 | mit der Gegend, wohin er zieht, hergestellt ist, wird wegen des | ||||||
21 | Widerstandes derselben Luftgegend ganz ostlich. Alsdann, weil die in | ||||||
22 | Süden zusammengedrückte Luft sich wieder nach Norden ausdehnt, macht | ||||||
23 | dieses in Verbindung mit dem Ostwinde eine südostliche Abweichung, diese | ||||||
24 | wird durch die in der dritten Anmerkung angeführte Ursache erst südlich, | ||||||
25 | dann südwestlich, darauf wegen des Widerstandes der nordlichen ins | ||||||
26 | Gleichgewicht hergestellten Luft westlich, darauf aus Verbindung mit der | ||||||
27 | sich wieder ausdehnenden nordlichen Luft nordwestlich, endlich gänzlich | ||||||
28 | nordlich. | ||||||
29 | Der Raum, den ich dieser kurzen Betrachtung bestimmt habe, setzt | ||||||
30 | ihrer weiteren Ausführung Schranken. Ich beschließe dieselbe damit, daß | ||||||
31 | ich den Herren, welche mir die Ehre erzeigen, in meinen gringen Vortrag | ||||||
32 | einiges Vertraün zu setzen, eröffne, daß ich die Naturwissenschaft über | ||||||
33 | des Herrn D. Eberhards erste Gründe der Naturlehre zu erklären | ||||||
34 | gesonnen sei. Meine Absicht ist nichts vorbei zu lassen, was eine gründliche | ||||||
35 | Einsicht in die wichtige Entdeckungen alter und neuer Zeiten befördern | ||||||
[ Seite 501 ] [ Seite 503 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |