Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 450 |
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| 01 | Bergen oft ergossen worden, es bezeugen können, und werden daher | ||||||
| 02 | wegen des natürlichen Abhanges des Bodens der unterirdischen Grüfte | ||||||
| 03 | nach den niedrigsten Höhlen des Meeresgrundes jederzeit abgeflossen sein, | ||||||
| 04 | wegen des häufigen Vorraths der entzündbaren Materie hier häufigere | ||||||
| 05 | und gewaltigere Erschütterungen sich zutragen müssen. | ||||||
| 06 | Hr. Bougür muthmaßt mit Recht, daß das Durchdringen des | ||||||
| 07 | Meerwassers durch Eröffnung einiger Spalten in dem Boden desselben die | ||||||
| 08 | zur Erhitzung natürlich geneigte mineralische Materien in die heftigste | ||||||
| 09 | Aufwallung bringen müsse. Denn wir wissen, daß nichts das Feuer erhitzter | ||||||
| 10 | Mineralien in entsetzlichere Wuth versetzen kann, als der Zuflu | ||||||
| 11 | des Wassers, welches das Toben desselben so lange vermehrt, bis seine | ||||||
| 12 | sich nach allen Seiten ausbreitende Gewalt dem ferneren Zugang desselben | ||||||
| 13 | durch den Auswurf aller irdischen Materien und Verstopfung der Öffnung | ||||||
| 14 | gewehrt hat. | ||||||
| 15 | Meinem Erachten nach rührt die vorzügliche Heftigkeit, womit ein | ||||||
| 16 | am Meeresufer liegender Grund erschüttert wird, zum Theil ganz natürlicher | ||||||
| 17 | Weise von dem Gewicht her, womit das Meereswasser seinen damit | ||||||
| 18 | benachbarten Boden belastet. Denn jedermann sieht leichtlich ein, daß die | ||||||
| 19 | Gewalt, womit das unterirdische Feuer dieses Gewölbe, worauf eine so | ||||||
| 20 | erstaunliche Last ruht, zu erheben trachtet, sehr müsse zurück gehalten werden | ||||||
| 21 | und, indem es hier keinen Raum seiner Ausbreitung vor sich findet, | ||||||
| 22 | seine ganze Gewalt gegen den Boden des trockenen Landes kehren müsse, | ||||||
| 23 | welcher damit zunächst verbunden ist. | ||||||
| 24 | Von der Richtung, nach welcher der Boden durch ein Erdbeben |
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| 25 | erschüttert wird. |
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| 26 | Die Richtung, nach welcher das Erdbeben sich in weite Länder ausbreitet, | ||||||
| 27 | ist von derjenigen unterschieden, nach welcher der Boden erschüttert | ||||||
| 28 | wird, an dem es seine Gewalt ausübt. Wenn die oberste Decke der verborgenen | ||||||
| 29 | Gruft, darin die entzündete Materie sich ausdehnt, eine horizontale | ||||||
| 30 | Richtung hat, so muß er wechselweise in senkrechter Stellung gehoben | ||||||
| 31 | und gesenkt werden, weil nichts ist, was die Bewegung mehr nach einer | ||||||
| 32 | als nach der andern Seite lenken könnte. Ist aber die Erdlage, welche die | ||||||
| 33 | Wölbung ausmacht, nach einer Seite geneigt, so treibt die erschütternde | ||||||
| 34 | Kraft des unterirdischen Feuers sie auch mit einer schiefen Richtung gegen | ||||||
| 35 | den Horizont in die Höhe, und man kann die Richtung abnehmen, nach | ||||||
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