Kant: AA I, Von den Ursachen der ... , Seite 422 |
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01 | nicht darunter erschlagen zu werden. Italien, ja selbst die zum Theil in | ||||||
02 | der Eiszone befindliche Insel Island und andere hohe Gegenden von Europa | ||||||
03 | beweisen diese Übereinstimmung. Das Erdbeben, welches sich in dem | ||||||
04 | Monat December des verflossenen Jahres von Abend gegen Morgen durch | ||||||
05 | Frankreich, Schweiz, Schwaben, Tyrol und Bayern ausbreitete, hielt vornehmlich | ||||||
06 | den Strich der höchsten Gegenden dieses Welttheils. Man wei | ||||||
07 | aber auch, daß alle Hauptgebirge kreuzweise Nebenäste ausschießen. In | ||||||
08 | diese breitet sich die unterirdische Entzündung auch nach und nach aus, | ||||||
09 | und es ist diesem zu Folge, nachdem es bei den hohen Gegenden der | ||||||
10 | Schweizerberge angelangt, auch die Höhlen durchgelaufen, die dem Rheinstrome | ||||||
11 | parallel bis in Niederdeutschland fortlaufen. Was mag die Ursache | ||||||
12 | dieses Gesetzes sein, womit die Natur die Erdbeben vornehmlich an die | ||||||
13 | hohen Gegenden verknüpft? Wenn es ausgemacht ist, daß eine unterirdische | ||||||
14 | Entzündung diese Erschütterungen verursacht, so kann man leicht | ||||||
15 | erachten, daß, weil die Höhlen in gebirgichten Gegenden weitläuftiger sind, | ||||||
16 | die Ausdämpfung brennbarer Dünste daselbst freier, auch die Gemeinschaft | ||||||
17 | mit der in den unterirdischen Gegenden verschlossenen Luft, die allemal zu | ||||||
18 | Entzündungen unentbehrlich ist, ungehinderter sein wird. Über dieses lehrt | ||||||
19 | die Kenntniß der innern Naturbeschaffenheit des Erdbodens, so weit es | ||||||
20 | Menschen erlaubt ist sie zu entdecken, daß die Schichten in gebirgichten | ||||||
21 | Gegenden bei weitem nicht so hoch aufliegen als in flachen Ländern, und | ||||||
22 | der Widerstand der Erschütterung dort also geringer als hier sei. Wenn | ||||||
23 | man also frägt, ob auch unser Vaterland Ursache habe diese Unglücksfälle | ||||||
24 | zu befürchten, so würde ich, wenn ich den Beruf hätte die Besserung der | ||||||
25 | Sitten zu predigen, die Furcht davor um der allgemeinen Möglichkeit | ||||||
26 | Willen, die man freilich hiebei nicht in Abrede sein kann, in ihrem Werthe | ||||||
27 | lassen; nun aber unter den Bewegungsgründen der Gottseligkeit diejenige, | ||||||
28 | die von den Erdbeben hergenommen worden, ohne Zweifel die schwächsten | ||||||
29 | sind, und meine Absicht nur ist physische Gründe zur Vermuthung anzuführen, | ||||||
30 | so wird man leicht aus dem Angeführten abnehmen können, daß, | ||||||
31 | da Preußen nicht allein ein Land ohne Gebirge ist, sondern auch als eine | ||||||
32 | Fortsetzung eines fast durch und durch flachen Landes angesehen werden | ||||||
33 | muß, man eine größere Veranlassung habe sich von den Anstalten der Vorsehung | ||||||
34 | der entgegen gesetzten Hoffnung zu getrösten. | ||||||
35 | Es ist Zeit etwas von der Ursache der Erderschütterungen anzuführen. | ||||||
36 | Es ist einem Naturforscher etwas Leichtes ihre Erscheinungen nachzuahmen. | ||||||
37 | Man nimmt 25 Pfund Eisenfeilig, eben so viel Schwefel und vermengt es | ||||||
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