Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 061

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 vergesellschaftet sind. Es ist wahr, der Grund dieses Gedankens      
  02 ist metaphysisch und also auch nicht nach dem Geschmacke der jetzigen      
  03 Naturlehrer; allein es ist zugleich augenscheinlich: daß die allerersten      
  04 Quellen von den Wirkungen der Natur durchaus ein Vorwurf der      
  05 Metaphysik sein müssen. Dem Herrn Hamberger ist sein Vorsatz      
  06 nicht gelungen, der Welt einen neuen Weg anzuweisen, der kürzer und      
  07 bequemlicher ist, uns zur Erkenntniß der Natur zu führen. Dieses      
  08 Feld ist ungebaut geblieben; man hat sich von dem alten Wege noch      
  09 nicht losreißen können, um sich auf den neuen zu wagen. Ist es      
  10 nicht wunderbar, daß man sich einem unermeßlichen Meere von Ausschweifungen      
  11 und willkürlichen Erdichtungen der Einbildungskraft anvertrauet      
  12 und dagegen die Mittel nicht achtet, die einfach und begreiflich,      
  13 aber eben daher auch die natürlichen sind? Allein dieses ist schon      
  14 die gemeine Seuche des menschlichen Verstandes. Man wird noch sehr      
  15 lange von diesem Strome hingerissen werden. Man wird sich an der      
  16 Betrachtung belustigen, die verwickelt und künstlich ist, und wobei der      
  17 Verstand seine eigene Stärke wahrnimmt. Man wird eine Physik      
  18 haben, die von vortrefflichen Proben der Scharfsinnigkeit und der Erfindungskraft      
  19 voll ist, allein keinen Plan der Natur selbst und ihrer Wirkungen.      
  20 Aber endlich wird doch diejenige Meinung die Oberhand behalten,      
  21 welche die Natur, wie sie ist, das ist einfach und ohne unendliche      
  22 Umwege schildert. Der Weg der Natur ist nur ein einziger Weg.      
  23 Man muß daher erstlich unzählig viel Abwege versucht haben, ehe      
  24 man auf denjenigen gelangen kann, welcher der wahre ist.      
           
  25 Die Leibnizianer sollten mehr als andere die Meinung des Herrn      
  26 Hambergers ergreifen. Denn sie sind es, welche behaupten, daß ein      
  27 todter Druck, der sich in dem Körper, welchem er mitgetheilt worden,      
  28 erhält, ohne daß ihn eine unüberwindliche Hinderniß wieder vernichtet,      
  29 zu einer wirklichen Bewegung erwachse. Sie werden also auch nicht      
  30 leugnen können: daß ein Körper, der sich an die Theile einer Flüssigkeit,      
  31 die ihn umgiebt, nach einer Richtung mehr anhängt, als nach      
  32 der andern, alsdann eine wirkliche Bewegung erhalte, wenn diese      
  33 Flüssigkeit von der Art ist, daß sie ihm seine Kraft durch ihren Widerstand      
  34 nicht wieder vernichtet. Dieses muß sie von demjenigen überzeugen,      
  35 was ich jetzt behaupte, nämlich: daß ein Körper eine wirkliche      
  36 Bewegung von einer Materie empfangen könne, welche selber in      
  37 Ruhe ist.      
           
     

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