Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 044 |
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01 | den Zeiten proportionirt sei, in welchen der Körper entweder fällt oder | ||||||
02 | zurück steigt. Ich werde jetzt einen Beweis geben, der die Meinung | ||||||
03 | der Cartesianer außer Zweifel setzen wird, und daraus man zugleich | ||||||
04 | wird einsehen lernen, worin der scheinbare Beweis des Herrn Hermanns | ||||||
05 | fehle. | ||||||
06 | § 32. |
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07 | Es ist gleich viel Kraft nöthig, eine einzige von | Beweis, der | |||||
08 | den fünf gleich gespannten Federn*) A, B, C, D, E eine | den Fall des | |||||
09 | Secunde lang zuzudrücken, als sie alle fünfe nach und | Herrn | |||||
10 | nach binnen eben dieser Zeit zuzudrücken. Denn man | Hermanns | |||||
11 | theile die Secunde als die Zeit, wie lange der Körper M | widerlegt. | |||||
12 | die Feder A zugedrückt hält, in fünf gleiche Theile; an statt daß nun M alle | ||||||
13 | diese fünf Theile der Secunde hindurch auf die Feder A losdrückt, so | ||||||
14 | nehme man an, daß er die Feder A nur in dem ersten Theil der | ||||||
15 | Secunde drücke, und daß in dem zweiten Theil der Secunde an statt | ||||||
16 | der Feder A die andere, B, die gleichen Grad der Spannung hat, | ||||||
17 | untergeschoben werde, so wird in der Kraft, die M zu drücken braucht, | ||||||
18 | bei dieser Verwechslung kein Unterschied anzutreffen sein. Denn die | ||||||
19 | Federn B und A sind in allem vollkommen gleich, und also ists einerlei, | ||||||
20 | ob in dem zweiten Secundtheile annoch dieselbe Feder A oder ob | ||||||
21 | B gedrückt werde. Eben so ist es gleich viel, ob M in dem dritten | ||||||
22 | Theil der Secunde die dritte Feder C spanne, oder ob er in diesem | ||||||
23 | Zeittheile annoch auf die vorige, B, drückte; denn man kann eine Feder | ||||||
24 | an der andern Stelle setzen, weil sie nicht unterschieden sind. Es | ||||||
25 | wendet also der Körper M so viel Kraft an, die einzige Feder A eine | ||||||
26 | ganze Secunde lang zugedrückt zu halten, als er braucht, fünf solcher | ||||||
27 | Federn binnen eben dieser Zeit nach und nach zu spannen. Eben | ||||||
28 | dieses kann gesagt werden, man mag die Menge der Federn auch ins | ||||||
29 | unendliche vermehren, wenn die Zeit des Druckes nur gleich ist. Es | ||||||
30 | ist also nicht die Menge der zugedrückten Federn, wornach die | ||||||
31 | Kraft des Körpers, der sie alle spannt, abgemessen wird, sondern die | ||||||
32 | Zeit der Drückung ist das rechte Maß. | ||||||
33 | Jetzt laßt uns die Vergleichung, die Herr Hermann zwischen | ||||||
34 | der Wirkung der Federn und dem Druck der Schwere anstellt, annehmen, | ||||||
35 | so werden wir finden, daß die Zeit, wie lange die Kraft des | ||||||
*) Fig. IV. | |||||||
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