Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 030 |
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| 01 | 16ten § gesagt worden. Die todten Drucke können nichts mehr als | ||||||
| 02 | die einfache Geschwindigkeit zum Maße haben; denn weil ihre Kraft | ||||||
| 03 | auf den Körpern, die sie ausüben, selber nicht beruht, sondern durch | ||||||
| 04 | eine äußere Gewalt verrichtet wird, so hat der Widerstand, der dieselbe | ||||||
| 05 | überwältigt, nicht in Absicht auf die Stärke, mit der sich diese Kraft | ||||||
| 06 | in dem Körper zu erhalten sucht, eine gewisse besondere Bemühung | ||||||
| 07 | nöthig (denn die Kraft ist in der wirkenden Substanz auf keinerlei | ||||||
| 08 | Weise eingewurzelt und bemüht, sich in derselben zu erhalten), sondern | ||||||
| 09 | sie hat nur die einzige Geschwindigkeit zu vernichten nöthig, | ||||||
| 10 | die der Körper gebraucht, den Ort zu verändern. Allein mit der | ||||||
| 11 | lebendigen Kraft ist es ganz anders. Weil der Zustand, in welchem | ||||||
| 12 | die Substanz sich befindet, indem sie in freier Bewegung mit einer | ||||||
| 13 | gewissen Geschwindigkeit fortläuft, sich auf den innerlichen Bestimmungen | ||||||
| 14 | vollkommen gründet: so ist dieselbe Substanz zugleich dahin bemüht, | ||||||
| 15 | sich in diesem Zustande zu erhalten. Der äußerliche Widerstand also | ||||||
| 16 | muß zugleich neben der Kraft, die er braucht, der Geschwindigkeit | ||||||
| 17 | dieses Körpers die Wage zu halten, noch eine besondere Gewalt haben, | ||||||
| 18 | die Bestrebung zu brechen, mit der die innerliche Kraft des Körpers | ||||||
| 19 | angestrengt ist, in sich diesen Zustand der Bewegung zu erhalten, und | ||||||
| 20 | die ganze Stärke des Widerstandes, der die Körper, die in freier Bewegung | ||||||
| 21 | sich befinden, in Ruhe versetzen soll, muß also in zusammengesetztem | ||||||
| 22 | Verhältniß sein aus der Proportion der Geschwindigkeit und | ||||||
| 23 | der Kraft, womit der Körper bemüht ist diesen Zustand der Bemühung | ||||||
| 24 | in sich zu erhalten; d. i. weil beide Verhältnisse einander gleich sind, | ||||||
| 25 | so ist die Kraft, die der Widerstand bedarf, wie das Quadrat der | ||||||
| 26 | Geschwindigkeit der anlaufenden Körper. | ||||||
| 27 | § 19. |
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| 28 | Ich darf mir nicht versprechen, etwas Entscheidendes und Unwidersprechliches | ||||||
| 29 | in einer Betrachtung zu erlangen, die bloß metaphysisch | ||||||
| 30 | ist, daher wende ich mich zu dem folgenden Capitel, welches | ||||||
| 31 | durch die Anwendung der Mathematik vielleicht mehr Ansprüche auf | ||||||
| 32 | die Überzeugung wird machen können. Unsere Metaphysik ist wie | ||||||
| 33 | viele andere Wissenschaften in der That nur an der Schwelle einer | ||||||
| 34 | recht gründlichen Erkenntniß; Gott weiß, wenn man sie selbige wird | ||||||
| 35 | überschreiten sehen. Es ist nicht schwer ihre Schwäche in manchem | ||||||
| 36 | zu sehen, was sie unternimmt. Man findet sehr oft das Vorurtheil | ||||||
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