Kant: Briefwechsel, Brief 93, An Carl Daniel Reusch.

		Kant: Briefwechsel, Brief 93, An Carl Daniel Reusch.


		An Carl Daniel Reusch.

		[Mai oder Iuni 1774.]

		Ich habe Ew: Wohlgeb: gründliche und zu ihrer Absicht gantz
		wohl eingerichtete Schrift mit Vergnügen durchgelesen. Das wenige,
		was ich von meinem Urtheile in gütige Erwägung zu ziehen noch
		bitten möchte, würde darinn bestehen. Der Ableiter müste nur darauf
		eingerichtet werden, die Wettermaterie von dem Metalle, was sich
		oben auf dem Thurme befindet, abzuleiten, nicht aber solche aus der
		Gewitterwolke zu loken und herbeyzuziehen. Daher er, ohne Spitzen,
		lediglich oben an der Stange und der kupfernen Bedeckung angemacht
		werden müste. Man könte vermittelst eines Erdbohrers ihn zu einer
		gnugsamen Tiefe in die Erde herabbringen, wofern das Erdreich
		nicht so sehr loker ist, alles wieder auszufüllen. Ich bilde mir auch
		nicht ein: daß die Erde, in einer ziemlichen Tiefe, ein Nicht=Ableiter
		seyn solte, ob sie gleich trocken wäre. Denn sie ist gleichwohl mit
		feuchten Dünsten angefüllt und die getroknete Erde, womit man an
		der Luft den Versuch macht, besonders bey sehr trokner Witterung,
		ist von einer elektrischen Luft durchzogen, welche allen ihren Theilen
		eine Bedeckung giebt.

		Ich habe die Ehre des gelehrten HEn Prof: Tetens aus Butzow
		Abhandlung mitzuschicken. Ich wünschte daß ich dieses auch mit einer
		in der Gothaischen Zeitung gerühmten Schrift: Verhaltungsregeln

		bey nahem Donnerwetter, zwey Bogen mit einer Kupfertafel,
		welche einem Geh: Secret: Lichtenberg zugeschrieben wird, thun
		könte; allein sie ist mit dem Kanterschen Meßvorrath nicht mitgekommen
		vielleicht ist sie bey Hartungs. Ich habe die Ehre mit der
		größesten Hochachtung zu seyn

				Ew: Wohlgeb.
				ergebenster Diener
				Kant.



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