Kant: Briefwechsel, Brief 891, Von I. Glover. |
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| Von I. Glover. | |||||||
| 16. Febr. 1802. | |||||||
| Myn Herr! | |||||||
| Der Werth Ihres neuen Lehrgebäudes der Philosophie ist zu algemein | |||||||
| anerkant, und die daraus entsprossene Berichtigung der Principe | |||||||
| für alle Fächer menschlicher Kunde in ihren Folgen zu heilreich gewesen, | |||||||
| daß sie nicht auch in Bataviens feuchten Himmelstrich ihre | |||||||
| Bewunderer solte gefunden haben, unter deren Zahl ich mir die Freiheid | |||||||
| nehme mich Ihnen mit Ehrfurcht anzubieten. | |||||||
| Sklavische Schmeichelei war nie meine Sache: auch dan nicht, | |||||||
| wenn gleich alle Verdienste und Tugenden in einer Persohn zusammengedrängt | |||||||
| wären; Lieber referir ich mich auf das, was der gelehrte | |||||||
| Herr Schulz in seiner Vorrede seiner Erläuterungen sagt. Nur allein | |||||||
| erlauben Sie mir mein Herr, Ihnen diesz Opfer der Bekentnisz darbringen | |||||||
| zu dürfen: dasz ich nicht aufhöre der Gottheid für das Glük | |||||||
| zu danken mit Ihnen gleichzeitig gelebt zu haben! | |||||||
| Es ist eins meiner angenehmsten Gefühle Ihnen melden zu dürfen, | |||||||
| dasz Ihr Critisches Werk auch bei dem Batavischen Volke nicht vergebens | |||||||
| erschien. Seit einiger Zeit, besonders aber seit dem Jahre 1796 | |||||||
| erscheinen auch hier Männer auf der Bühne die mit stetem Andrange | |||||||
| Geisteskraft zeigen ihren Landgenossen nüzlich zu werden, wovon Sie | |||||||
| einen kurzen Abriss von dem Zustande der Critischen Philosophie in | |||||||
| der Batavischen Republik weiter unten finden werden. | |||||||
| Doch aber fehlt es uns auch hier keineswegs an solche, besonders | |||||||
| unter der Classe kirchlicher Dogmatisten die nach Gelegenheid haschen | |||||||
| in Ihrer Philosophie Sonnenflekke zu entdekken; Allein andere wieder | |||||||
| beweisen jenen dasz Unkunde und Miszverstand ihre Teleskope zusammenstelte, | |||||||
| und dan trit das Licht mit noch grösserem Glanze hervor wie | |||||||
| zuvor. Dieser Andrang erzeugt die wohlthätigste Rükwürkung, und | |||||||
| daher Verbreitung menschlicher Kentnisse. Ihre Critik gleicht einem | |||||||
| Felsen der im Ebenmaasse der auf ihn gefallenen Schläge funken verspreitet, | |||||||
| und darum wünscht mancher mit mir dieser wohlthatigen | |||||||
| Schläge viele | |||||||
| Obschon Ihre Philosophie hier viele Verehrer findet und auch bearbeitet | |||||||
| wird, so ist noch keines Ihrer Werke im Zusammenhange in | |||||||
| die Holländische Sprache übersezt. Doch in diesem Augenblikke erfahre | |||||||
| ich von sicherer Hand, dasz man uns bald mit einer Uebersetzung | |||||||
| Ihrer Critik der pract: Vernunft beschenken wird. | |||||||
| Schon längst entdekte ich meinen Wunsch und bath vergeblich | |||||||
| einen meiner Freunde um die Uebersetzung des mir so schätzbahren | |||||||
| Werks "Metaphysische Anfangsgründe der NaturWissenschaft" | |||||||
| ins holländische! Doch da der Wunsch meinen Landgenossen | |||||||
| diese reiche Qwelle der Vernunft zu eröfnen wieder mit erneuerter Kraft | |||||||
| in mir rege wird, so habe ich mich entschlossen selbst Hand an's Werk | |||||||
| zu legen. | |||||||
| Da es aber mit meinen Grundsätzen nicht zutrift dieses Ihr Werk | |||||||
| auf eigene Autoritaet in ein Niederdeutsches Gewand zu kleiden, ohne | |||||||
| zuvor Ihre Erlaubniss dazu erbeten und erhalten zu haben, noch auch | |||||||
| bei Ihnen angefragt ob Sie vieleicht noch ein oder das andere aufzuklären, | |||||||
| verändern, oder zu vermehren wünschen, so hoffe ich wird diesz | |||||||
| zureichen meine genommene Freiheit mich schriftlich an Sie zu | |||||||
| wenden zu entschuldigen. | |||||||
| Sind Sie so gütig mich mit einer Antwort zu beehren so wird | |||||||
| sich dadurch glüklich schätzen der die Ehre hat sich unter herzlicher | |||||||
| Anwünschung alles Heils zu nennen Mein Herr | |||||||
| Ihr aufrichtigster Verehrer | |||||||
| Driel den 16ten Februar 1802. | JGlover | ||||||
| adres | |||||||
| J Glover | |||||||
| te Driel by Arnhem | |||||||
| in de Bataavsche Republik. | |||||||
| [Beilage.] | |||||||
| Kurtze Uebersicht der Förderungen und des Zustandes der Critischen Philosophie | |||||||
| in der Batavischen Republ. | |||||||
| Vor dem Jahre 1792 kante man in den Niederlanden die Critische Philosophie | |||||||
| nur dem Nahmen nach. Doch im Anfange dieses genanten Jahrs gab mein | |||||||
| Freund Paulus van Hemert zu Amsterdam dessen zwey gekrönte Preissabhandlungen | |||||||
| in's Hochdeutsche übersezt sind einer Monatschrift einen | |||||||
| kurtzen Abriss von dieser Philosophie, wurde aber von wenigen verstanden. Die | |||||||
| Jahre 93, 94 und 95 brachten wieder nichtsmerkenswehrtes zum Vorschein, | |||||||
| obgleich eine Übersetzung Ihrer Metaphy: Anfangsgr. der Rechtslehre und Log. | |||||||
| angekündigt wurde, die jedoch noch vergeblich erwartet wird; bis endlich wieder | |||||||
| v. Hemert im Jahre 1796 den ersten Theil einer freien Nachfolgung von Borns | |||||||
| Versuch unter dem Titel Beginzeln der Kantiaansche Wysgeerte, herausgab | |||||||
| wovon der 4te und lezte Theil im Jahre 1798 erschien. | |||||||
| Im Jahre 1798 erschien abermals durch v. Hemert ein Werk ganz gebaut | |||||||
| auf die Gründe der Critik der Prac: Vern: unter dem Titel " "+NL Proeven oover | |||||||
| +NL het bestaan van beginzeln eener belangloozen goedwilligheid in | |||||||
| +NL het menschlyke hart +" " welches ebenfals, wie ich glaube, in's Hochdeutsche | |||||||
| übersezt ward, wenigstens wurde es im IntelligenzBlat zur Jen. Litt. Zeit. angekündigt. | |||||||
| Auch wurde durch W. Servaas in einer periodischen Schrift Kunst | |||||||
| en Letterbode, von Zeit zu Zeit einige kurze Erklärungen dieser Philosophie | |||||||
| gegeben. | |||||||
| Im Herbste des Jahrs 1798 trat wieder Paulus v. Hemert mit seinem | |||||||
| Critischen Magazin hervor. Dieses Werk enthält mehrere herliche Aufsätze sowohl | |||||||
| vom Herausgeber selbst als von einigen seiner Mitarbeiter, wird viel gesucht | |||||||
| und hat sich schon bis zu Vier Theile, jeden zu circa 400 pag. in octavo angehäuft. | |||||||
| Hierin findet man vorzüglich die gründlichsten Wierderlegungen gegen die Anfächter. | |||||||
| Endlichhin zeugen die Academischen Dissertationen dasz mehrere Professoren | |||||||
| sich alle Mühe geben diese Philosophie zu promulgieren, von dessen glüklicher | |||||||
| Wirkung eine zu Amsterdam bestehende Geselschaft unter dem Titel der | |||||||
| Critischen zum Beweise dient. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 337 ] [ Brief 890a ] [ Brief 891a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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