Kant: Briefwechsel, Brief 821, An Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. |
|||||||
|
|
|
|
||||
| An Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. | |||||||
| 19. Oct. 1798. | |||||||
| Sie geben mir, Werthester Freund! von Zeit zu Zeit, durch Ihre | |||||||
| gründliche Schriften, hinreichenden Anlas zur angenehmen Erinnerung | |||||||
| unserer unwandelbaren Freundschaft. Erlauben Sie mir jetzt auch jene | |||||||
| periodische Erinnerung, wegen der Teltowerrüben, in Anregung zu | |||||||
| bringen, womit ich für den Winter durch Ihre Güte versorgt zu werden | |||||||
| wünsche; ohne Sie doch dabey in Unkosten setzen zu wollen als | |||||||
| welche ich gerne übernehmen würde. | |||||||
| Mein Gesundheitszustand ist der eines alten, nicht kranken, aber | |||||||
| doch invaliden; vornehmlich für eigentliche und öffentliche Amtspflichten | |||||||
| ausgedienten Mannes, der dennoch ein kleines Maas von Kräften in | |||||||
| sich fühlt, um eine Arbeit, die er unter Händen hat, noch zu Stande | |||||||
| zu bringen; womit er das critische Geschäfte zu beschließen und eine | |||||||
| noch übrige Lücke auszufüllen denckt; nämlich "den Übergang von | |||||||
| den metaph. A. Gr. der R. W. zur Physik, als einen eigenen Theil | |||||||
| der philosophia naturalis, der im System nicht mangeln darf, auszuarbeiten. | |||||||
| Ihrerseits sind Sie bisher, was Ihnen nicht gereuen wird, der | |||||||
| crit. Phil. standhaft treu geblieben: indessen daß Andere, die sich gleichfals | |||||||
| derselben gewidmet hatten, durch zum Theil lächerliche Neuerungssucht | |||||||
| zur Originalität, nämlich, wie Hudibras, aus Sand einen Strick | |||||||
| drehen zu wollen um sich her Staub erregen, der sich doch in Kurzem | |||||||
| legen muß. | |||||||
| So höre ich eben jetzt durch eine (doch noch nicht hinreichend verbürgte) | |||||||
| Nachricht: daß Reinhold, der Fichten seine Grundsätze abtrat, | |||||||
| neuerdings wiederum anderes Sinnes geworden und reconvertirt habe. | |||||||
| Ich werde diesem Spiel ruhig zusehen und überlasse es der jüngeren | |||||||
| und kraftvollen Welt, die sich dergleichen ephemerische Erzeugnisse nicht | |||||||
| irren läßt, ihren Werth zu bestimmen. | |||||||
| Wollten Sie mich bey dieser Gelegenheit mit Notizen Ihres Orts, | |||||||
| vornehmlich aus dem literärischen Fach, regaliren: so würde es mir | |||||||
| sehr angenehm seyn: - wobey ich mit der vollkommensten Freundschaft, | |||||||
| Hochachtung und Ergebenheit jederzeit bin | |||||||
| Der Ihrige | |||||||
| Koenigsberg | I Kant | ||||||
| den 19ten Oct. | |||||||
| 1798. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 258 ] [ Brief 820 ] [ Brief 822 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
|||||||