Kant: Briefwechsel, Brief 788, Von Friedrich August Hahnrieder. |
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| Von Friedrich August Hahnrieder. | |||||||
| 18. Nov. 1797. | |||||||
| Achtungswürdiger Mann! | |||||||
| Eine Unachtsamkeit in meinem Briefe hat zu dem Mißverständniße, | |||||||
| als wollte ich die Händearbeit aufgeben, Anlas gegeben, mein | |||||||
| Vorsaz bleibt, allein ich fand es meiner Überzeugung zuwider, nachdem | |||||||
| ich mehr und mehr darüber nachdachte, blos als eine Maschine | |||||||
| in den Händen der Reichen zur Befriedigung ihrer Sinnlichkeit zu | |||||||
| dienen, ich mußte nun, wenn ich nicht wider meine Überzeugung handeln | |||||||
| wollte, diese Laufbahn verlaßen und es blieb mir weiter nichts übrig | |||||||
| als den Akkerbau zu wählen, aller Mühe ohngeachtet war es nicht | |||||||
| möglich zu diesem Zwekke zu gelangen ich fing an, an einer moralischen | |||||||
| Weltregierung zu zweifeln, denn nach den Begriffen von derselben | |||||||
| mußte ich in einen Wirkungskreis versezt werden, der nicht wider meine | |||||||
| Überzeugung war, und doch war auch nicht die mindeste Aussicht dazu | |||||||
| da, in diesem Wanken zwischen Glauben und Zweifeln entschlos ich | |||||||
| mich in Gesellschaft mit einem TischlerGesellen der Meister werden | |||||||
| wollte eine Werkstätte zu etabliren, allein der damalige Kronprinz zu | |||||||
| deßen Regiment dieser Mann als Kantonist gehört, gab mir auf mein | |||||||
| Gesuch um den Abschied für denselben einen Bescheid, der so beschaffen | |||||||
| war, daß ich mein Gesuch nicht weiter fortsezte, weil ich befürchten | |||||||
| mußte, daß mein Freund Soldat werden könnte. Dieser Vorfall brachte | |||||||
| mich zum Besinnen, ich hielt es für einen Wink, daß ich nicht in dem | |||||||
| Wirkungskreise stehen bleiben sollte der meiner Überzeugung zuwider | |||||||
| war, nach vielem hin und her=Wanken wendete ich mich an den GeneralAdjutanten | |||||||
| des verstorbenen Königs Obersten v. Zastrow, dieser Mann | |||||||
| empfal mich Sr. Excellenz dem Minister v. Schroetter, durch deßen | |||||||
| Vermittelung ich in Westpreußen Land erhalten soll, so ganz zufrieden | |||||||
| ist indeßen der Minister mit meinem Plane nicht, weil derselbe wünscht, | |||||||
| daß ich in Königl. Dienste tretten möchte, zum Theil rührt seine Unzufriedenheit | |||||||
| daher, weil Sie mit meiner izzigen Standesveränderung | |||||||
| unzufrieden seyn sollen, wie mir der Minister es versicherte, in wiefern | |||||||
| dieses seine Richtigkeit habe, weis ich nicht, allein unerwartet wäre es | |||||||
| mir eben nicht, denn ich habe schon das Schiksal verkannt zu werden, | |||||||
| und ich muß aufrichtig gestehen, daß der Schein wider mich ist, und | |||||||
| daß man mir wohl Wandelbarkeit zutrauen könne, wenn man mich | |||||||
| und alle Verhältniße nicht ganz genau kennt, allein ich kann mich vor | |||||||
| allen vernünftigen Wesen rechtfertigen, denn die Maxime das Land | |||||||
| zu bauen kann als allgemeines Gesez gelten und die Maxime jeden | |||||||
| Stand in jedem Augenblik zu verlaßen um in den Akkerbauerstand | |||||||
| herüberzutretten qualifizirt sich auch zum allgemeinen Gesez, übrigens | |||||||
| überlaße ich mein Schiksal der Gottheit, von der ich nun völlig überzeugt | |||||||
| bin, daß sie mich jederzeit in die Lage versezt die mir die zuträglichste | |||||||
| ist, freilich laufe ich Gefahr für einen Phantasten zu passiren, | |||||||
| allein ich würde mich selbst verachten, wenn das Urteil andrer Menschen | |||||||
| mich zum Handeln bestimmen sollte. | |||||||
| Daß der König den 16t. d. M. mit Tode abgegangen, werden Sie | |||||||
| vielleicht schon wißen. Der neue König hat sogleich die Madame Rietz | |||||||
| arretiren lassen, ihre Sachen sind versiegelt und ihre Häuser mit | |||||||
| Wachen besezt, man gibt ihr Schuld als hätte sie Staatsverbrechen | |||||||
| begangen, sie soll eine rußische Depesche erbrochen und Staatsgelder | |||||||
| unterschlagen haben. Bischoffswerder und Rietz sollen auch arretirt seyn. | |||||||
| Der Fortdauer Ihrer Freundschaft empfele ich mich und bitte | |||||||
| Sie zu glauben daß ich nie wider meine Überzeugung vorsäzlich handeln | |||||||
| werde. Mit aller Achtung bin ich | Ihr | ||||||
| Berlin den 18ten Novemb. | aufrichtiger Freund | ||||||
| 1797 | Hahnrieder. | ||||||
| Eben erfahre ich von einem Augenzeugen, daß Bischoffswerder | |||||||
| und Rietz im Dom bei der Beisezzung des Leichnams gegenwärtig | |||||||
| gewesen, folglich nicht arretirt sind. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 219 ] [ Brief 787 ] [ Brief 789 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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