| Kant: Briefwechsel, Brief 114, An Friedrich Wilhelm Regge. | |||||||
| 
 | 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| An Friedrich Wilhelm Regge. | |||||||
| 22. März 1777. | |||||||
| Würdiger und geliebter Freund. Ehe ich noch die Antwort auf | |||||||
| mein an Sie abgelassenes Schreiben erhalte, muß ich die bestimtere | |||||||
| Erklärung meines darin geschehenen Antrages eilig hinzu fügen, damit | |||||||
| Ihre Entschließung mir auch um desto zeitiger bekannt werden könne. | |||||||
| Ich bin von HEn Educationsrath Campe in Dessau in Correspondenz, | |||||||
| wegen philanthropinischer Angelegenheiten, gezogen worden und habe | |||||||
| in meinem letzteren Schreiben, aus eigner wohlgemeinter Bewegung, | |||||||
| auch Ihrer, werther Freund, Erwähnung gethan. Die Veranlassung | |||||||
| dazu ist: daß das Philanthropin, da es sich, wegen Ausbleibens der | |||||||
| verhoften Unterstützung des Publici, nicht im Stande sieht, ihre Anstalt | |||||||
| gehörig zu erweitern, eine große Menge (in seinem Briefe meldet er | |||||||
| über 5O) der sich meldenden Zöglinge abzuweisen genöthigt ist. Unter | |||||||
| diesen ist nun auch der iunge Maclean, Neveu von HEn Johann | |||||||
| Simpson Kaufmann in Memel, bey dem er sich auch ietzt befindet. | |||||||
| Weil ich nun sehe daß der Mangel an Inspicienten u. Mitarbeitern | |||||||
| daran großentheils Schuld ist so schlug ich ihm vor: daß, wenn Sie | |||||||
| durch Ihre ietzige Krankheit nicht gehindert würden, an Ihrem besten | |||||||
| Willen gar nicht zu zweifeln wäre, einige Zeit Ihre gewis dort sehr | |||||||
| angenehme Bemühungen dem Philanthropin zu widmen. Um aber | |||||||
| Ihre Reise unentgeltlich zu machen, wäre die Bedingung daß Sie | |||||||
| den iungen Maclean (einen feinen und wackeren Burschen) mitbringen | |||||||
| würden, um selbigen dem Institute zu überliefern und daß sie also | |||||||
| durch den Beytritt eines so wohlgesinnten und wirklich philanthropinischen | |||||||
| Gehülfen, vornemlich bey Ihrer Uneigennützigkeit, wenigstens | |||||||
| auf einige Zeit, (so lange es Ihnen belieben würde) oder vielleicht, | |||||||
| durch Aufnahme unter die verbrüderte Iugendfreunde, auf immer, | |||||||
| Erleichterung bekommen würden. | |||||||
| Ich behielt mir vor, Ihre Entschließung zuvor zu vernehmen und | |||||||
| zu berichten, und darauf die Einwilligung (was den iungen Maclean | |||||||
| betrift) darüber einzuholen. Seit vorgestern habe nun HEn Simpson | |||||||
| selbst gesprochen, der zu dieser Reise mit aller Ihrer Gemächlichkeit | |||||||
| alle Kosten sehr gerne hergeben will und der, da, wie er sagt, einer | |||||||
| Ihrer Anverwandten bey seiner Handlung engeagirt ist, wünscht, da | |||||||
| er das Vergnügen haben können Sie in Memel bey sich zu sehen, um | |||||||
| alles zu verabreden. Die Reise könte etwa im Anfange des Maymonaths | |||||||
| geschehen. Sie würden die Nächte ruhig schlafen und die | |||||||
| Pflege Ihres Körpers besorgen können. Wenn es auch rathsam scheinen | |||||||
| möchte, daß neben einem kränklichen Manne noch ein gesunder auf | |||||||
| allen Fall mitginge, so habe ich einen artigen iungen Mann, der | |||||||
| gerne diese Reise nach Dessau als seiner Vatersstadt mit thun möchte | |||||||
| Vielleicht ließe sich auch der reiche hiesige Comm: R: Fahr[enheid] | |||||||
| welcher vor etwa einem Iahre so freygebig erböthig war, Candidaten | |||||||
| des paedagogii auf seine Kosten in Dessau zu unterhalten und | |||||||
| der ietzt, ob er gleich die Sache selbst noch immer gut findet, sich | |||||||
| schwierig zu zeigen anfängt, noch bewegen, ihre edle Absichten durch | |||||||
| seinen Beytrag zu unterstützen. Ich werde zum wenigsten die schiklichste | |||||||
| Maasregeln ergreifen, ihn dazu zu bewegen. Gleichwohl müste | |||||||
| Ihre Entschließung, die Sie mir zu erklären belieben, auch ohne diesen | |||||||
| Umstand, mit Sicherheit an das Philanthropin berichtet werden können. | |||||||
| Die Krankheit bleibt immer die wichtigste Hindernis, darüber | |||||||
| freylich Sie selbst und Ihr Arzt am besten urtheilen können, ob solche | |||||||
| die Reise möglich mache, oder nicht. Daß man in Berlin bey der | |||||||
| Durchreise bey angesehenen Ärtzten sich Raths erholen könne ist ein | |||||||
| Nebenvortheil | |||||||
| Ich habe bey Herren Motherby eine mit einem Briefe an das | |||||||
| Philanthropin gerichtete und von Ihnen gesammelte ansehnliche Collekte | |||||||
| angetroffen. Eine Bemühung, die Ihnen beym Philanthropin und bey | |||||||
| iedem Menschenfreunde wahre Ehre bringen muß. Ich habe es indessen | |||||||
| gewagt Herren Motherby zu bereden: daß er mit Abschickung derselben | |||||||
| einen Posttag überschlagen möge, damit diese Sache zusammt Ihrer, | |||||||
| wie ich wünsche, günstigen Erklärung über meinen Antrag zugleich | |||||||
| ankommen mögen. Könten Sie es möglich machen, daß so gar die | |||||||
| Antwort auf diesen Brief noch vor Donnerstag abend bey mir einträfe, | |||||||
| so würde Ihr Geschenk, zusammt dem Anerbieteu Ihrer Persohn, den | |||||||
| vollständigen Eindruk der Zufriedenheit so wohl bey mir als auch dem | |||||||
| Philanthropin machen. | |||||||
| Was das Pränumerationsgeschäfte auf die pädagogische Unterhandlungen | |||||||
| betrift, so wird den nächsten Donnerstag eine Aufmunterung | |||||||
| dazu, imgleichen eine Anzeige, wie sie so wohl, als die Subscriptionen | |||||||
| angestellet werden sollen, in der Kanterschen Zeitung zu lesen seyn. | |||||||
| Im herzlichen Wunsche: daß eine so gesunde Seele auch bald | |||||||
| einen gesunden Körper bewohnen möge, bin ich mit aller Hochachtung | |||||||
| und Ergebenheit iederzeit | |||||||
| Ihr | |||||||
| aufrichtiger treuer Diener | |||||||
| Koenigsberg | u. Freund | ||||||
| d. 22sten Mertz | I. Kant. | ||||||
| 1777. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 201 ] [ Brief 113d ] [ Brief 114a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||