| Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zum Streit der ... , Seite 439 | |||||||
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| 01 | gewöhnlich nur den Völkern die unter keiner förmlichen (vornehmlich | ||||||
| 02 | schriftlichen) Glaubenslehre stehen und (gleich den Wilden) keiner geistlichen | ||||||
| 03 | Obrigkeit unterworfen sind beygelegt wird richtiger aber von allen | ||||||
| 04 | gelten kann deren Glauben weil er nicht eigentliche Religion enthält in | ||||||
| 05 | innerer moralischer Rücksicht eben so gut ist als gar kein Glaube; so daß | ||||||
| 06 | selbst bey einer wahren Religion alle Aufnahme gewisser Artikel des | ||||||
| 07 | bloßen Kirchenglaubens zum Artikel der Religion für ein Christenthum | ||||||
| 08 | gehalten werden kann was nicht ohne alle Beymischung des Heydenthums | ||||||
| 09 | ist. - Geht man von dieser Bemerkung ab legt man dem Begrif | ||||||
| 10 | des Christenthums nicht eine Idee sondern blos den empirischen Begrif | ||||||
| 11 | der biblischen Glaubenslehre unter den keine Vernunft vorher gesichtet | ||||||
| 12 | und hiemit das Wesentliche einer Religion vom Außerwesentlichen der | ||||||
| 13 | zufälligen Satzungen abgesondert hat so ist der Sectenunterschied (durch | ||||||
| 14 | Verschiedenheit der Schriftauslegung) unvermeidlich welches denn auch | ||||||
| 15 | die Erfahrung bestätigt. - Ein schwankender ohnehin gehender nicht | ||||||
| 16 | bestimmter Begrif aber kann er bey allen anderen Lehren als an der | ||||||
| 17 | von einer Religion geduldet werden. | ||||||
| 18 | Hieraus ist zu sehen daß der gute M. Mendelssohn den Monotheism | ||||||
| 19 | zum Verdienst des Glaubens seiner Nation viel zu hoch anschlägt so daß | ||||||
| 20 | er es gar einer besondern Vorsehung zuschreibt daß diese als Depositärin | ||||||
| 21 | eines so wichtigen Artikels durch alle Zeiten erhalten worden ist: denn | ||||||
| 22 | der kann mit so viel Heydenthum in Ansehung dessen was eigentlich zur | ||||||
| 23 | Religion gehört untermengt seyn daß ein solcher Glaube kaum verdiente | ||||||
| 24 | Religion genannt zu werden. Dagegen ist der Polytheism zwar ein | ||||||
| 25 | grober Fehler in Ansehung der Introduction der Religion durch kirchliche | ||||||
| 26 | Formen ist aber doch der Religion in ihrem Wesentlichen nicht nothwendig | ||||||
| 27 | entgegengesetzt. Denn wenn es von allen den Göttern hieße daß sie | ||||||
| 28 | zwar in Ansehung der Departementer die sie in der Welt verwalten | ||||||
| 29 | verschiedener Natur darinn aber insgesammt einig wären daß nur Rechtschaffenheit | ||||||
| 30 | der Seele und Tugend ihre Gunst erwerben könnte so wäre | ||||||
| 31 | eine solche Religion so schlimm eben nicht wenigstens doch besser als | ||||||
| 32 | ein Monotheism der es zum Grundsatz hatte daß die Gottheit durch | ||||||
| 33 | Glaubensbekentnisse und Observanzen könne gewonnen und Übertretung | ||||||
| 34 | der natürlichen Pflichten dadurch könne vergütet werden. | ||||||
| 35 | aus der Religion sich den Begrif von Gott und seiner Einheit zu | ||||||
| 36 | machen | ||||||
| 37 | Anaxagoras nicht Heyde | ||||||
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