Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 331 |
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Text (Kant):
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| 01 | Negationen oder defectus abgeleitet sind, und blos der Begriff des | ||||||
| 02 | realissimi, nämlich des Wesens, worin alle Prädicate real sind, conceptus | ||||||
| 03 | logice originarius (unbedingt) sey. Dieses hält man für einen | ||||||
| 04 | Beweis, daß nur ein ens realissimum nothwendig sein könne, oder | ||||||
| 05 | umgekehrt, daß das absolut Nothwendige ens realissimum sey. | ||||||
| 06 | Man will den Beweis vermeiden, daß ens realissimum nothwendig | ||||||
| 07 | existire, und beweiset lieber, daß, wenn ein solches existirt, es ein realissimum | ||||||
| 08 | seyn müsse. (Nun müßte man also beweisen, daß Eines unter allem | ||||||
| 09 | Existirenden schlechthin nothwendig existire, und das kann man auch | ||||||
| 10 | wohl.) Der Beweis aber sagt nichts weiter als: wir haben gar keinen | ||||||
| 11 | Begriff von dem, was einem nothwendigen Wesen, als solchem, für | ||||||
| 12 | Eigenschaften zukommen, als daß es unbedingt seiner Existenz nach | ||||||
| 13 | existire. Was aber dazu gehöre, wissen wir nicht. Unter unsern Begriffen | ||||||
| 14 | von Dingen ist der logisch unbedingte, aber doch durchgängig bestimmte, | ||||||
| 15 | der des realissimi. Wenn wir also diesem Begriffe auch ein Object als | ||||||
| 16 | correspondirend annehemen dürfen, so würde es das ens realissimum | ||||||
| 17 | seyn. Aber wir sind nicht befugt, für unsern bloßen Begriff auch ein | ||||||
| 18 | solches Object anzunehmen. | ||||||
| 19 | Unter der Hypothese, daß etwas existirt, folgt: daß auch irgend etwas | ||||||
| 20 | nothwendig existirt, aber schlechtweg und ohne alle Bedingung kann | ||||||
| 21 | doch nicht erkannt werden, daß etwas nothwendig existire, der Begriff | ||||||
| 22 | von einem Dinge, seinen inneren Prädicaten nach, mag auch angenommen | ||||||
| 23 | werden, wie man wolle, und es kann bewiesen werden, daß dies schlechterdings | ||||||
| 24 | unmöglich sey. Also habe ich auf den Begriff eines Wesens geschlossen, | ||||||
| 25 | von dessen Möglichkeit sich Niemand einen Begriff machen kann. | ||||||
| 26 | Warum schließe ich aber aufs Unbedingte? Weil dieses den obersten | ||||||
| 27 | Grund des Bedingten enthalten soll. Der Schluß ist also: 1) Wenn etwas | ||||||
| 28 | existirt, so ist auch etwas Unbedingtes. 2) Was unbedingt existirt, existirt | ||||||
| 29 | als schlechthin nothwendiges Wesen. Das letztere ist keine nothwendige | ||||||
| 30 | Folgerung, denn das Unbedingte kann für eine Reihe nothwendig seyn, | ||||||
| 31 | es selber aber, und die Reihe, mag immer zufällig seyn. Dieses letztere | ||||||
| 32 | ist nicht ein Prädicat der Dinge (wie etwa, ob sie bedingt, oder unbedingt | ||||||
| 33 | sind), sondern betrifft die Existenz der Dinge, mit allen ihren | ||||||
| 34 | Prädicaten, ob sie nämlich an sich nothwendig, oder nicht sey. Es ist | ||||||
| 35 | also ein bloßes Verhältnis des Objectes zu unserm Begriffe. | ||||||
| 36 | Ein jeder Existenzialsatz ist synthetisch, also auch der Satz: Gott | ||||||
| 37 | existirt. Sollte er analytisch seyn, so müßte die Existenz aus dem bloßen | ||||||
| 38 | Begriffe von einem solchen möglichen Wesen ausgewickelt werden können. | ||||||
| 39 | Nun ist dieses auf zwiefache Weise versucht worden: 1) Es liegt in dem | ||||||
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