Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 275

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 a priori enthalten, so ferne unter sie empirische Vorstellungen      
  02 subsumirt werden können.      
           
  03 Die höchste Aufgabe der Transscendentalphilosophie ist also: Wie      
  04 ist Erfahrung möglich?      
           
  05 Der Grundsatz, daß alles Erkenntniß allein von der Erfahrung      
  06 anhebe, welcher eine quaestio facti betrifft, gehört also nicht hieher,      
  07 und die Thatsache wird ohne Bedenken zugestanden. Ob sie aber auch      
  08 allein von der Erfahrung, als dem obersten Erkenntnißgrunde, abzuleiten      
  09 sey, dies ist eine quaestio iuris, deren bejahende Beantwortung den      
  10 Empirism der Transscendentalphilosophie, die Verneinung den Rationalism      
  11 derselben einführen würde.      
           
  12 Der erstere ist ein Widerspruch mit sich selbst; denn wenn alles Erkenntniß      
  13 empirischen Ursprungs ist, so ist der Reflexion und deren ihrem      
  14 logischen Prinzip, nach dem Satz des Widerspruchs, unbeschadet, welche      
  15 a priori im Verstande gegründet seyn mag, und die man immer einräumen      
  16 kann, doch das Synthetische der Erkenntniß, welches das Wesentliche      
  17 der Erfahrung ausmacht, blos empirisch der Erfahrung ausmacht, blos empirisch, und nur als Erkenntniß a      
  18 posteriori möglich, und die Transscendentalphilosophie ist selbst ein Unding.      
           
  19 Da aber gleichwohl solchen Sätzen, welche der möglichen Erfahrung      
  20 a priori Regel vorschreiben, als z.B. Alle Veränderung hat      
  21 ihre Ursache, ihre strenge Allgemeinheit und Nothwendigkeit, und      
  22 daß sie bey allem dem doch synthetisch sind, nicht bestritten werden kann:      
  23 so ist der Empirism, welcher alle diese synthetische Einheit unsrer Vorstellungen      
  24 im Erkenntnisse für bloße Gewohnheitssache ausgiebt, gänzlich      
  25 unhaltbar, und es ist eine Transscendentalphilosophie in unsrer Vernunft      
  26 gest gegründet, wie denn auch, wenn man sie als sich selbst vernichtend      
  27 vorstellig machen wollte, eine andre und schlechterdings unauflösliche      
  28 Aufgbabe eintreten würde. Woher kommt den Gegenständen der Sinne      
  29 der Zusammenhang und die Regelmäßigkeit ihres Beyeinanderseyns,      
  30 daß es dem Verstande möglich ist, sie unter allgemeine Gesetze zu fassen,      
  31 und die Einheit derselben nach Prinzipien aufzufinden, welcher der Satz      
  32 des Widerspruchs allein nicht Genüge thut, da dann der Rationalism      
  33 unvermeidlich herbeygerufen werden muß.      
           
  34 Finden wir uns also nothgedrungen, ein Prinzip a priori der Möglichke, it      
  35 der Erfahrung selbst aufzusuchen: so ist die Frage, was ist das      
  36 für eines? Alle Vorstellungen, die eine Erfahrung ausmachen, können      
  37 zur Sinnlichkeit gezählt werden, eine einzige ausgenommen, d.i. die des      
  38 Zusammengesetzten, als eines solchen.      
           
  39 Da die Zusammensetzung nicht in die Sinne fallen kann, sondern      
           
           
           
     

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