Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 260 |
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| 01 | immer zu wälzen, wäre das Interesse, welches die Vernunft daran | ||||||
| 02 | nimmt, nicht das innigste, was man haben kann. | ||||||
| 03 | Dieser Endzweck, auf den die ganze Metaphysik angelegt ist, ist leicht | ||||||
| 04 | zu entdecken, und kann in dieser Rücksicht eine Definition derselben begründen: | ||||||
| 05 | „sie ist die Wissenschaft, von der Erkenntnis des Sinnlichen zu | ||||||
| 06 | der des Übersinnlichen durch die Vernunft fortzuschreiten.” | ||||||
| 07 | Zu dem Sinnlichen aber zählen wir nicht blos das, dessen Vorstellung | ||||||
| 08 | im Verhältniß zu den Sinnen, sondern auch zum Verstande | ||||||
| 09 | betrachtet wird, wenn nur die reinen Begriffe desselben in ihrer Anwendung | ||||||
| 10 | auf Gegenstände der Sinne, mithin zum Behuf einer möglichen | ||||||
| 11 | Erfahrung gedacht werden; also kann das Nichtsinnliche, z.B. der Begriff | ||||||
| 12 | der Ursache, welcher im Verstande seinen Sitz und Ursprung hat, doch, | ||||||
| 13 | was die Erkenntniß eines Gegenstandes durch denselben betrifft, noch | ||||||
| 14 | zum Felde des Sinnlichen, nämlich der Objecte der Sinnen gehörig | ||||||
| 15 | genannt werden. — | ||||||
| 16 | Die Ontologie ist diejenige Wissenschaft (als Theil der Metaphysik), | ||||||
| 17 | welche ein System aller Verstandesbegriffe und Grundsätze, aber nur | ||||||
| 18 | so fern sie auf Gegenstände gehen, welche den Sinnen gegeben, und also | ||||||
| 19 | durch Erfahrung belegt werden können, ausmacht. Sie berührt nicht | ||||||
| 20 | das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der Metaphysik ist, gehört | ||||||
| 21 | also zu dieser nur als Propädeutik, als die Halle, oder der Vorhof der eigentlichen | ||||||
| 22 | Metaphysik, und wird Transscendental-Philosophie genannt, weil | ||||||
| 23 | sie die Bedingungen und ersten Elemente aller unserer Erkenntniß | ||||||
| 24 | a priori enthält. | ||||||
| 25 | In ihr ist seit Aristoteles' Zeiten nicht viel Fortschreitens gewesen. | ||||||
| 26 | Denn sie ist, so wie eine Grammatik die Auflösung einer Sprachform in | ||||||
| 27 | ihre Elementarregeln, oder die Logik eine solche von der Denkform ist, | ||||||
| 28 | eine Auflösung der Erkenntniß in die Begriffe, die a priori im Verstand | ||||||
| 29 | liegen und in der Erfahrung ihren Gebrauch haben; — ein System, | ||||||
| 30 | dessen mühsamer Bearbeitung man gar wohl überhoben sein kann, wenn | ||||||
| 31 | man nur die Regeln des richtigen Gebrauchs dieser Begriffe und Grundsätze | ||||||
| 32 | zum Behuf der Erfahrungserkenntniß beabsichtigt, weil die Erfahrung | ||||||
| 33 | ihn immer bestätigt oder berichtigt, welches nicht geschieht, wenn | ||||||
| 34 | man vom Sinnlichen zum Übersinnlichen fortzuschreiten Vorhabens ist, | ||||||
| 35 | zu welcher Absicht dann freylich die Ausmessung des Verstandesvermögens | ||||||
| 36 | und seiner Principien mit Ausführlichkeit und Sorgfalt geschehen muß, | ||||||
| 37 | um zu wissen, von wo an die Vernunft, und mit welchem Stecken und | ||||||
| 38 | Stabe sie von den Erfahrungsgegenständen zu denen, die es nicht sind, | ||||||
| 39 | ihren Überschritt wagen könne. | ||||||
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