Kant: AA XIX, Erläuterungen zu G. Achenwalls Iuris ... , Seite 646 |
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| 01 | S. IV: | ||||||
| 02 | Ein Mann, dem es bisher immer wohl gegangen ist (ein reicher), | ||||||
| 03 | wird alt und fragt sich selbst, was er wohl gutes gethan habe, das ihm | ||||||
| 04 | übrig bliebe. Er hat sein Leben und alle Mittel Gutes zu thun durchgebracht, | ||||||
| 05 | er muß diese Vorwürfe von seinem Gewissen höhren, gleich als | ||||||
| 06 | ob ihm alles um ihn dieses vorwürfe. Nun wird ihm bange vor das | ||||||
| 07 | Schicksal, das seiner nach dem Tode erwartet. Er kan zum künftigen | ||||||
| 08 | Wohlleben nichts mitnehmen, ob er gleich reich war. Wie schafft er sich | ||||||
| 09 | mit seinem Reichtum Anweisung auf eine künftige Welt? Eins kann er | ||||||
| 10 | noch thun, sich nämlich andere sind ihm schuldig (er war nur verwalter | ||||||
| 11 | seines Reichthums). Nun könnte er dieses mit Härte beytreiben. Aber | ||||||
| 12 | was hilft ihm das: er muß doch alles in der Welt zurücklassen und nimmt | ||||||
| 13 | nichts mit. Er besinnt sich auf ein gutes Mittel: Er erläßt seinen | ||||||
| 14 | Schuldnern; seinen Beleidigern etc. Das Alles ist doch verdienstlich, und | ||||||
| 15 | er erwartet in der Zukunft, daß alle die ihm Wohlthaten verdanken, für | ||||||
| 16 | ihn sprechen werden. | ||||||
8103. ω4. L Bl. E 26. R II 107. |
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| 18 | S. II: | ||||||
| 19 | Die Unredlichkeit der Menschen als das radicale Böse. | ||||||
8104. ω4--5. L Bl. Kuffner 2. S. I: |
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| 21 | Religion ist das Erkentnis des Menschen von seinen Pflichten als | ||||||
| 22 | (g tanquam ) göttlichen geboten. Hiezu wird nicht erfordert, daß man | ||||||
| 23 | glaube, es sey ein Gott, sondern es ist gnug, eine Idee von einem solchen | ||||||
| 24 | sich zu machen, welches in Ansehung der Freyheit des Menschen so wohl | ||||||
| 25 | der Schiksale desselben ohne schranken machthabend ist. Man kann, wenn | ||||||
| 26 | man den Lauf der Welt in Erwägung zieht, vielleicht zweifeln, ob dieses | ||||||
| 27 | Wesen nach moralischen Gesetzen die Welt regiere, wie denn auch der Anschein | ||||||
| 28 | es giebt, daß es den Guten und Bösen Menschen, so weit wir es | ||||||
| 29 | einsehen können, auf Gleiche Art behandle. Aber es ist doch der Moralität | ||||||
| 30 | halber nothig, ihn als ein moralisch vollkommenes Wesen anzunehmen. | ||||||
| 31 | Man kann aber nicht sagen, daß man zu einem ihm zu leistenden Dienst | ||||||
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