Kant: AA XIX, Erläuterungen zu G. Achenwalls Iuris ... , Seite 611 |
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| 01 | Aber alle diese (g technische, pragmatische und moralische ) Cultur | ||||||
| 02 | kann doch nicht den Krieg, das größte Übel, was dem Menschengeschlecht | ||||||
| 03 | begegnen kann, (g nicht ) verhüten und so auch nicht verhüten hindern, daß | ||||||
| 04 | selbst im das Fortschreiten des zum Physisch=Besseren (g von Zeit zu | ||||||
| 05 | Zeit ) Hemmungen, ja gar Umwältzungen und Rückfall in Elend oder Verwilderung | ||||||
| 06 | zu erdulden hätte, wo dann, die Moralität in diesen Umsturz | ||||||
| 07 | mit verwickelt, dieser Verlust aber nur mit geheuchelten Thränen bedauert | ||||||
| 08 | wird oder umgekehrt, dem Verfall der Moralität der Verfall des Staats | ||||||
| 09 | (g in Strafpredigten ans Volk ) zugeschrieben, indessen daß es klar einleuchtet, | ||||||
| 10 | diese Greuel nicht von unten nach oben sondern von oben herab | ||||||
| 11 | abwerts herabkommen und die Kriegssucht der Beherrscher, nicht die | ||||||
| 12 | Wiederspenstigkeit des Unterthans, sie herbey führte. -- Diese aber und | ||||||
| 13 | ihre Anmaßungen abzuwehren, ist nicht anders möglich als durch eine | ||||||
| 14 | bessere aufs natürliche Recht innerlich im Staate (g selbst ) getroffene Verfassung, | ||||||
| 15 | weil, man mag (g den Einflus ) der moralischen Anlage im | ||||||
| 16 | Menschen (wie der Politiker pflegt) noch so niedrig anschlagen, so ist doch | ||||||
| 17 | der Anspruch desselben auf aus auf Achtung für sein angebohrnes Recht | ||||||
| 18 | so mächtig und unbezwinglich ist, daß er nicht ermangeln wird, bey vorkommender, | ||||||
| 19 | ihm günstigen Gelegenheit Gewalt gegen Gewalt zu versuchen, | ||||||
| 20 | ob er zwar sonst willig seyn möchte, das äußere bürgerliche Gesetz (aber | ||||||
| 21 | nicht ganz willkührliche) Gesetz gehorsam zu befolgen. Diese Wiedersetzlichkeit | ||||||
| 22 | entspringt selbst aus der moralischen Anlage im Menschen; aber | ||||||
| 23 | statt den Fortschritt zum Moralisch=Besseren zu befördern, bringt sie (weil | ||||||
| 24 | sie nur durch Veranlassende Gelegenheit aufgeregt worden) gewöhnlichermaßen | ||||||
| 25 | den Rückgang ins Schlimmere hervor. -- Die Ursache hievon ist, | ||||||
| 26 | weil jene Gesetze ihn die Befolgung jener Gesetze nicht eigentliche auf | ||||||
| 27 | Achtung für dieselbe sondern auf Hinsicht zum Vermeynten Nutzen (Erhaltung | ||||||
| 28 | der Ruhe und der Haabe des Volks) gegründet war, welches | ||||||
| 29 | eigentlich (g gar ) keine absolute (g innere ) Achtung sondern nur eine bedingte | ||||||
| 30 | ist, welche äußerlich innere Achtung sondern eine äußere, dem Gesetzgeber | ||||||
| 31 | beweisen wird nicht dem Gesetz bewiesene Achtungsbezeigung ist. | ||||||
| 32 | Die (g Tendentz zum continuirenden ) Fortschritt des Menschengeschlechts | ||||||
| 33 | zum Besseren ist also eine moralisch-practische Vernunftidee, deren | ||||||
| 34 | objective Realität daß ihre Ausführung statthaft sey kann also erstlich nur dann | ||||||
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