Kant: AA XIX, Erläuterungen zu G. Achenwalls Iuris ... , Seite 558 |
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| 01 | freyheit gänzlich unwürdig gemacht hat, indem er keine Grenzen derselben | ||||||
| 02 | durch Gesetze erkennen will, folglich blos anderer Gewalt und absoluter | ||||||
| 03 | Willkühr muß unterworfen werden. | ||||||
| 04 | Es ist der Tod der Persohn, und er lebt nur gleichsam wie ein Thier; | ||||||
| 05 | dieses kan aber nur dauern, so lange diese Unsicherheit dauert. Der Sclav | ||||||
| 06 | gehorcht nicht aus Pflicht; denn könnte er seiner Pflicht gemäß handeln | ||||||
| 07 | und dadurch regirt werden, so verdiente er nicht Sclav zu seyn. Es kan | ||||||
| 08 | sich also auch niemand sich zum Sclaven verpflichten, d. i. zum Zustande, | ||||||
| 09 | wo nichts von seiner Pflicht erwartet wird. | ||||||
7930. ψ. J 59. In § 75: |
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| 11 | Zu einem Zustande, darin einer dem andern dienen muß, kann kein | ||||||
| 12 | Mensch gebohren werden. Wenn er also sich nicht durch contract oder Verbrechen | ||||||
| 13 | dazu Verbindlich macht, ist er frey. Nur glauben viel Gutsherren | ||||||
| 14 | daß sie besser für die Glükseeligkeit ihrer Unterthanen sorgen können, als | ||||||
| 15 | diese selbst wollen; also daß jene ihre Wohlfarth von ihrer Gütigkeit haben | ||||||
| 16 | sollen nicht das, was sie aus ihrem Recht fodern können, nämlich ihre | ||||||
| 17 | Glükseeligkeit selbst zu besorgen. | ||||||
7931. ψ. J 60. |
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| 19 | Der, welcher den andern so laedirt, daß er dadurch zu erkennen giebt, | ||||||
| 20 | er erkenne keine Pflicht gegen ihn, hat auch kein Recht gegen denselben. | ||||||
| 21 | Der Beleidigte hat also ein Recht, dem kein Recht des andern entgegensteht, | ||||||
| 22 | zu allem Gebrauche desselben gleich einer Sache. Dergleichen delictum | ||||||
| 23 | ist Leib und Lebensgefahr, die keine Hofnung zur Abwendung übrig | ||||||
| 24 | läßt, und unaufhörliche Unsicherheit des Eigenthums. So acqvirirt man | ||||||
| 25 | einen obnoxium delicto. | ||||||
| 26 | Aber ad operas indeterminatas perpetuas kan, da einer sich pacto | ||||||
| 27 | verbinden, der acceptant facto iusto acqviriren? Nein! Denn ein pactum | ||||||
| 28 | ist null und nichtig, wodurch ich alle Freyheit aufgebe, denn alle arbeiten | ||||||
| 29 | sich aufbürden zu lassen schränkt die freyheit des Hausherrn gar nicht ein, | ||||||
| 30 | er hat das Thun und Lassen des Knechts völlig in seiner Gewalt. In jedem | ||||||
| 31 | pacto aber macht promittent sih verbindlich das Versprechen zu halten, | ||||||
| 32 | setzt also voraus, daß er frey sey; er macht sich aber verbindlich nicht frey | ||||||
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