Kant: AA XV, Entwürfe zu dem Colleg über ... , Seite 845 |
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| 01 | Die Natur hat freylich (g weislich ) in uns die Anlage zu Affecten | |||||||
| 02 | gemacht, aber nur provisorisch, im so lange die Vernunft nicht gnug | |||||||
| 03 | geübt war, um die Zügel zu führen. Aber wir handeln nicht weislich, sie | |||||||
| 04 | in uns entstehen zu lassen. | |||||||
| 05 | Dem Affect ist entgegen gesetzt: (g das Vermögen sich zu fassen, der | |||||||
| 06 | Leidenschaft: sich zu beherrschen ) 1. die Gleichmüthigkeit oder Gelassenheit | |||||||
| 07 | als ein Gleichgewicht der Empfindungen; 2. Das Vermögen sich zu fassen | |||||||
| 08 | und den Affect zu beruhigen oder zu verbergen. Man hält dergleichen | |||||||
| 09 | Leute nicht vor sehr honnette. | |||||||
| 10 | S. II: | |||||||
| 11 | Leidenschaft ist von Affect gar sehr unterschieden. Der Affect ist | |||||||
| 12 | eine Überschwemmung durch den einen Sturm, die Leidenschaft ein | |||||||
| 13 | Strohm auf auf einem abschießigen Boden, der seine daurende Qvelle | |||||||
| 14 | hat und nicht aufhört zu fließen. Was der Affect nicht in der Geschwindigkeit | |||||||
| 15 | thut, das thut er gar nicht. (g Wenn der zorn vorüber ist — Wenn | |||||||
| 16 | man zum sitzen kommt. ) Die Leidenschaft nimmt durch läßt sich Zeit und | |||||||
| 17 | nimmt dadurch wohl zu. | |||||||
| 18 | (g Affecten sind wacker, Leidenschaften Grämisch. ) | |||||||
| 19 | (s Ob Zartliche Wemuth affect sey? ) | |||||||
| 20 | Wo viel Affect ist, da ist mehrentheils wenig Leidenschaft. e. g. Franzosen. | |||||||
| 21 | (g italiener. ) Viel Bewegung des Gemüths durch Neuigkeit und | |||||||
| 22 | keine anhaltende Neigung. (g Indianer: wenig Affect und viel Leidenschaft. ) | |||||||
| 24 | Affect geht auf liegt im Gefühl und dem Gegenwärtigen Eindruke. | |||||||
| 25 | Leidenschaft gehört zur Neigung und ist die Neigung, die ihr Verhaltnis | |||||||
| 26 | zu der Summe aller Neigungen überschreitet. Der Affect ist gleichsam | |||||||
| 27 | ein Rausch, den man Ausschläft, obgleich darauf Kopfweh folgt; Leidenschaft | |||||||
| 28 | aber ist ein Wahnsinn, der sich ie länger, desto tiefer einnistelt. | |||||||
| 29 | (g Gemüthsbewegung ist der Zustand Einflus einer Vorstellung | |||||||
| 30 | auf das Gefühl des gesammten Lebens. ) | |||||||
| 31 | Die Stärke der Neigung macht nicht die Leidenschaft, wenn sie nur | |||||||
| 32 | überlegt ist (g Leidenschaften: Gemüthsfesseln ), d. i. durch Vernunft mit | |||||||
| 33 | dem gesammten Interesse aller Neigungen verglichen. Der da liebt, kann | |||||||
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