Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 272 |
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| 01 | sind, d. i. solche, wo immer eben dieselbe Einheit zum Grunde | |||||||
| 02 | liegt, so ist das erste Principium der Erkentnis des Schönen die Erfahrung | |||||||
| 03 | und deren Critik; zweytens ist eine disciplin nöthig, welche solche Regeln | |||||||
| 04 | an die Hand giebt, welche zu der Ausübung bestimt gnug seyn, (eben so | |||||||
| 05 | wie die Mathematik des Warscheinlichen), und es komt dazu wohl noch | |||||||
| 06 | eine Wissenschaft, deren Principien aber empirisch seyn. | |||||||
| 07 | Sind die Verhältnisse, welche den Grund der Schönheit machen, verheltnisse | |||||||
| 08 | der qvalitaet, folglich obiecten der philosophie (z. E. identitaet und | |||||||
| 09 | Verschiedenheit, contrast, Lebhaftigkeit etc.): so ist keine disciplin Möglich, | |||||||
| 10 | noch weniger Wissenschaft, sondern blos Critick. Baukunst (g im allgemeinen | |||||||
| 11 | Verstande. ) (Gartenkunst etc.) ist eine disciplin, so auch musick. | |||||||
| 12 | Denn es komt hier bey jener auf die Ver gefallende Verhältnisse in den | |||||||
| 13 | Abtheilungen des Raumes, bey dieser aber in Absicht auf die Zeit an. | |||||||
| 14 | Daher muß der schulnahme aesthetic vermieden werden, weil der Gegenstand | |||||||
| 15 | keinen Unterricht der Schulen verstattet; man könte eben so gut die | |||||||
| 16 | buhlerischen Reitze mit einem Kunstwort belegen. | |||||||
| 17 | Es giebt unmittelbare Empfindungen der Sinne oder hypothetische | |||||||
| 18 | (g und substituirte ) Empfindungen. Die erstere entstehen aus allem dem, | |||||||
| 19 | was unseren Zustand angeht und wenn wir das obiect unserer Betrachtung | |||||||
| 20 | selbsten seyn. Die Zweyten: indem wir uns selbst gleichsam in eine | |||||||
| 21 | fremde Persohn verwandeln und uns eine Empfindsamkeit, die wir billigen | |||||||
| 22 | oder begehren, von uns erdichten. Solche substituirte Empfindungen sind | |||||||
| 23 | Die Empfindlichkeit betrift immer unseren Eignen Zustand und dessen | |||||||
| 24 | Anmuth oder Unannehmlichkeit. Die Empfindsamkeit geht auf den möglichen | |||||||
| 25 | oder Wirklichen Zustand anderer, den wir nachahmen. Solche | |||||||
| 26 | substituirten Empfindungen kan man in Ansehung solcher Zustände oder | |||||||
| 27 | Handlungen haben, wozu man keine persohnliche oder eigenthuemliche | |||||||
| 28 | Empfindung hat. z. E. Ein eingebildetes ordentliches Leben nach einer | |||||||
| 29 | Krankheit; eine Grosmuth, wenn man das große Loos gewonnen hätte. | |||||||
| 30 | Voltaire hat die vortreflichsten Empfindungen der Tugend im Nahmen | |||||||
| 31 | der Römer und aller in der tragoedie. Solche substituirte Empfindungen | |||||||
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