Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 218 |
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| 01 | Wie unterscheidet sich die Anschauung vom Denken? "Iene ist | ||||||
| 02 | die Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann", Kr. S. 339 | ||||||
| 03 | u. 481. Das Denken (als transscendentale Function) ist die Handlung | ||||||
| 04 | gegebene Vorstellungen unter ein Bewußtsein überhaupt zu bringen | ||||||
| 05 | und geht vor aller Anschauung vorher; was nämlich die Dignität der | ||||||
| 06 | Erkenntniß anbetrifft. | ||||||
| 07 | Man will, transscendentaliter genommen, daß Anschauen und Denken | ||||||
| 08 | Eins sei und eben dasselbe. Indirect läßt [sich] hiergegen folgendes | ||||||
| 09 | sagen: Wäre Anschauen und Denken einerlei so gäbe es keine transscendentale | ||||||
| 10 | Logik und Aesthetik; alle Begriffe würden absolut auf Erfahrung | ||||||
| 11 | eingeschränkt sein; welches der Apperception wiederstreitet. Ich | ||||||
| 12 | kann mir wenigstens den negativen Begriff von einer Erfahrung | ||||||
| 13 | machen, die nicht die menschliche ist, von einem intuitiven Verstande. | ||||||
| 14 | Aber auch dieser bloß problematische Begriff würde unmöglich | ||||||
| 15 | sein, wenn die Kategorien selbst und an sich allein die Erfahrung constituirten. | ||||||
| 16 | Durch die Erfahrung könnte ich die Erfahrung nicht übersteigen, | ||||||
| 17 | welches doch wirklich durch die Begriffe der Einheit der Synthesis | ||||||
| 18 | überhaupt (in Beziehung auf die uns mögliche und nichtmögliche | ||||||
| 19 | Erfahrung) geschieht. - Auch würde, wenn der Verstand (in | ||||||
| 20 | seinen Kategorien) bloß und allein der erfahrende wäre, der Übergang | ||||||
| 21 | zum Praktischen unmöglich sein, denn hier sind es doch bloße Gedanken | ||||||
| 22 | (ohne Anschauung) wodurch Gesetze, Begriffe und Obiekte für den | ||||||
| 23 | Willen bestimmt werden. - Man verwechselt die Sphäre der Anwendung | ||||||
| 24 | der Kategorien mit der Sphäre ihrer Functionen als reiner | ||||||
| 25 | Formen der Apperception überhaupt. Man meint, weil sie uns nur | ||||||
| 26 | durch Anwendung in der Erfahrung (indem sie ins Spiel gesetzt werden, | ||||||
| 27 | welches nur in der Erfahrung, im empirischen Bewußtsein möglich ist) | ||||||
| 28 | zum Bewußtsein kommen, sie auch darum nicht über die Sphäre | ||||||
| 29 | ihrer Anwendung erhaben wären. - Dies sind bloße einzelne Striche, | ||||||
| 30 | die ich mache, um Ihnen einen Wink zu geben, welchen Weg ich, außer | ||||||
| 31 | der Darlegung der Elemente des Verstandes, nehmen werde, um indirect | ||||||
| 32 | die Nothwendigkeit der Unterscheidung der Anschauung und des | ||||||
| 33 | Denkens zu zeigen. Denn ich bin überzeugt, daß die Kritik, wenn sie | ||||||
| 34 | die möglichen Schwierigkeiten nicht immer ipso verbo berührt oder | ||||||
| 35 | re ipsa hebt, doch die Principien zur Hebung vollständig in ihr gegeben | ||||||
| 36 | sind. | ||||||
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