Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 185 |
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| 01 | Dero hohem Alter nicht zu sehr alterire, und die Vorsehung Sie noch | ||||||
| 02 | lange zum Besten der Menschheit und der wahren Aufklärung erhalte. | ||||||
| 03 | Der ich mit ausgezeichneter Hochachtung zu verharren die Ehre habe. | ||||||
| 04 | Ew Wohlgebohren | ||||||
| 05 | Berlin den 22sten Iuly 1797. | gehorsamster Diener | |||||
| 06 | Wloemer | ||||||
| 764. | |||||||
| 08 | Von Christian Weiß. | ||||||
| 09 | Leipzig, am 25. Iulius, 1797. | ||||||
| 10 | Mein verehrungswürdiger Lehrer! | ||||||
| 11 | Sie werden vielleicht nicht selten von Unberufenen mit Briefen | ||||||
| 12 | bestürmt, und doch wage ich es ein gleiches zu thun, und rechne auf | ||||||
| 13 | Ihre Verzeihung. Es ist wider meine ganze Sinnesart, den Männern | ||||||
| 14 | immer fremd zu bleiben, welchen ich soviel, wie Ihnen, durch schriftliche | ||||||
| 15 | Belehrungen verdanke, und ich ergreife daher jedesmal die erste, | ||||||
| 16 | liebste Gelegenheit mich Ihnen zu nähern. Ich bringe also auch Ihnen | ||||||
| 17 | die unbedeutende Gabe dar, welche ich für sechs meiner besten, noch | ||||||
| 18 | lebenden, Lehrer vornämlich bestimmte, nicht als ob ich Ihnen damit | ||||||
| 19 | etwas Angenehmes gäbe, sondern blos um Ihnen auf eine nicht ganz | ||||||
| 20 | aus der Luft gegriffene Art zu sagen, daß ich ewig Ihr Schuldner bin. | ||||||
| 21 | Es wäre unbesonnen und strafbar, einem Manne von Ihrem Alter | ||||||
| 22 | und Ihren Geschäften seine Zeit noch auf irgend eine Art rauben, oder | ||||||
| 23 | ihn sonst mit irgend etwas beschweren zu wollen. Ich trage daher | ||||||
| 24 | schon Bedenken, Sie, so gern ich es möchte, um ein schriftliches Urtheil | ||||||
| 25 | über das beifolgende Werkchen, welches in Wahrheit ein bloßer Versuch | ||||||
| 26 | ist, zu bitten. Wäre es Ihnen indessen möglich, mir meinen | ||||||
| 27 | schüchternen Wunsch zu gewähren, so würden Sie meine Dankbarkeit | ||||||
| 28 | um vieles erhöhen. | ||||||
| 29 | Allein über einen andern Punkt muß ich Sie, mein theuerster | ||||||
| 30 | Lehrer, um einige Aufklärung und Zurechtweisung in wenigen Worten | ||||||
| 31 | bitten. Es ist, wie Sie sogleich bemerken werden, für mich eine Angelegenheit | ||||||
| 32 | des Verstandes und Herzens zugleich. | ||||||
| 33 | Ich hielt mich seit einigen Monaten nach langem Nachdenken und | ||||||
| 34 | vielen mislungenen Versuchen überzeugt, daß der Prof. Fichte in Iena | ||||||
| 35 | den eigentlichen Grund der kritischen Philosophie zuerst systematisch | ||||||
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