Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 131 |
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Text (Kant):
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| 01 | Glück dann für mich, ich habe noch einen Bruder, diesen will ich zugleich | ||||||
| 02 | ohne sein Wißen den Weg zu Ihren großen und edlen Herzen | ||||||
| 03 | bahnen, und ihn dann mit Ihrer ersten Antwort eine Freude machen, | ||||||
| 04 | welche gewiß nichts übertreffen kann, Er ist ein Iahr älter als ich, | ||||||
| 05 | und wünscht eben so sehr als ich, den wahren Weg zu diesen erhabnen | ||||||
| 06 | Ziele zu finden, o! welche Freude werden ihn dann die ersten weisen | ||||||
| 07 | Lehren eines Mannes seyn, dessen Nammen jedermann mit Ehrerbietung | ||||||
| 08 | ausspricht, die Vorsehung trennte uns weit, und wir können nicht das | ||||||
| 09 | Glück genießen in brüderlicher Eintracht zu den edelsten Ziele zu | ||||||
| 10 | streben, er hat die Handlung erlernet, und conditionirt jezt in Leipzig. | ||||||
| 11 | Ich hatte von jugend auf, einen Trieb zu der großen Wißenschaft der | ||||||
| 12 | Naturlehre, um diesen Hang mehr Nahrung zu geben, erlernte ich die | ||||||
| 13 | Apothekerkunst, lernte in Dresden aus und conditionire jezt in Lauban | ||||||
| 14 | um mir und meiner verlaßnen Mutter nebst 3. Schwestern in Gemeinschaft | ||||||
| 15 | meines Bruders, den nöthigen kümmerlichen Unterhalt zu erwerben. | ||||||
| 16 | Allein weit entfernt von den Vorsaz immer Apotheker zu | ||||||
| 17 | bleiben, wünsche ich lieber meine Beschäftigung blos auf die Naturlehre | ||||||
| 18 | einzuschränken, allein meine Armuth zwingt mich dazu, und ich | ||||||
| 19 | bin auch nicht in Stande wegen Mangel des Vermögens mich mit | ||||||
| 20 | dieser mir so lieben Wißenschaft zu beschäftigen, unter vielen vergeblichen | ||||||
| 21 | Versuchen ist mir doch dieser gelungen, mir die Gewogenheit | ||||||
| 22 | des berühmtesten Mannes in der Kräuterkunde des Herrn Professors | ||||||
| 23 | Hedwigs zu Leipzig zu erwerben. Er war ein alter Freund meines | ||||||
| 24 | unglücklichen Vaters und läßt sich alles angelegen seyn mich wenigstens | ||||||
| 25 | in dieser Wißenschaft zu unterstüzen! o! wollte doch Gott daß ich das | ||||||
| 26 | Glück hätte auch die Ihrige zu gewinnen, dann wäre der Grund zu | ||||||
| 27 | meinem Glück fertig. Er versprach mir wenn es Ihn möglich sey | ||||||
| 28 | mich künftige Ostern nach Leipzig in Condition zu bringen um seinen | ||||||
| 29 | Unterricht näher zu haben. sollte dies geschehen so will ich alles versuchen | ||||||
| 30 | um eine Nebenreise nach Koenigsberg zu bewerkstelligen, um | ||||||
| 31 | den Gründer meines höhern Glücks, mit den innigsten Wonne= und | ||||||
| 32 | Danckgefühl zärtlich umarmen zu können und Ihn mein Herz bis ins | ||||||
| 33 | Innerste zu öfnen, O diese wenigen glücklichen Tage sollen mir unvergeßlich | ||||||
| 34 | sein, gern will ich Ihnen alle meine Fehler entdecken, gern | ||||||
| 35 | alle meine Vergehen gestehen, und o! welche erhabne Wonne für mich, | ||||||
| 36 | mit so einen Manne vertrauten Umgang zu haben, aber auch jezt will | ||||||
| 37 | ich Ihnen meinen Charackter und Temperament so gut ich kann und | ||||||
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