Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 125 |
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Text (Kant):
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| 01 | ein einmal gefaßter in der Vernunft gegründeter Entschluß | ||||||
| 02 | muß durchgesezt werden, es koste was es wolle; Sittlichkeit ist keine | ||||||
| 03 | Chimäre, das haben Sie bewiesen, ich bin davon überzeugt und fest entschloßen | ||||||
| 04 | nach Uberzeugung zu handeln, an Kräften fehlt's mir nicht, ich | ||||||
| 05 | habe Muth gehabt allen Gefahren und Widerwärtigkeiten die mir in Rußland | ||||||
| 06 | droheten zu trozzen, ich zagte nicht auf der unwegsamen Bahn, die | ||||||
| 07 | mir Pflicht vorzeichnete, fortzuwandeln, und izt sollte ich wanken, izt | ||||||
| 08 | sollte ich meinen Muth sinken laßen, da ich doch bei weitem mit | ||||||
| 09 | weniger Widerwärtigkeiten zu kämpfen habe? Zwar verlaßen mich | ||||||
| 10 | meine Eltern, meine Freunde sind unzufrieden mit mir, und es thut | ||||||
| 11 | mir weh; es ist ein harter Kampf den ich zu kämpfen habe, aber es | ||||||
| 12 | sey, ich will ihn kämpfen, ich will tugendhaft seyn, und soll es seyn, | ||||||
| 13 | dieses Gesez giebt mir meine Vernunft, und die Neigungen sie mögen | ||||||
| 14 | so laut rufen als sie immerhin wollen, müßen am Ende verstummen. | ||||||
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| 16 | Da Sie mir doch einmal die Erlaubniß gegeben haben zu schreiben, | ||||||
| 17 | so will ich Ihnen von allem was auf mich Beziehung hat Nachricht | ||||||
| 18 | ertheilen. Mit dem Hobeln und Sägen geht's gut, ich habe darin | ||||||
| 19 | ziemliche Progreßen gemacht, verschiedene Stükke habe ich bereits verfertigt, | ||||||
| 20 | die schon Liebhaber gefunden und gekauft worden, ich hoffe, | ||||||
| 21 | daß ich während den drittehalb Iahren, die zu meiner Lehrzeit bestimmt | ||||||
| 22 | worden, es dahin bringen werde, daß ich als ein geschikter | ||||||
| 23 | Geselle mein Brod werde verdienen können; meine körperlichen Kräfte | ||||||
| 24 | nehmen zu und ich habe die frohe Aussicht eine dauerhafte Gesundheit | ||||||
| 25 | zu genießen vor mir. Verschiedene Bekanntschaften habe ich hier gemacht | ||||||
| 26 | zum Theil mit Männern die diesem Ehrennamen keine Schande | ||||||
| 27 | machen; der Geheimrath Schulz der bey Ihnen gewesen, und ein gewißer | ||||||
| 28 | Profeßor Feßler intereßiren mich am mehresten, ersterer scheint | ||||||
| 29 | mir ein sehr redlicher Mann zu seyn, er hat mir Unterstüzzung angeboten, | ||||||
| 30 | wovon ich bisher noch keinen Gebrauch gemacht, weil ich | ||||||
| 31 | glaube daß man sich lieber kümmerlich behelfen muß als andern zur | ||||||
| 32 | Last zu fallen; lezterer ist ein Mann durch deßen Umgang mein sittlicher | ||||||
| 33 | Charakter mehr und mehr ausgebildet wird, sein Beispiel ist | ||||||
| 34 | mir eine heilsame Lehre, daß Widerwärtigkeiten nie einen für die | ||||||
| 35 | Sittlichkeit nachtheiligen Einfluß auf unsere Handlungen haben müßen; | ||||||
| 36 | dieser Mann war ehedem beim Fürsten zu Carolath engagirt, sein | ||||||
| 37 | Engagement hatte ein Ende, da der Fürst bankrott wurde, izt lebt | ||||||
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