Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 014 |
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Text (Kant):
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| 01 | beßernde Liebe aus - Er hatte nicht allein ein gutes Wissen - u. | ||||||
| 02 | einen guten Willen, sondern auch ein gutes Können, u. ein gutes | ||||||
| 03 | Thun, weil seine Lüste des alten Menschen ihn damals nicht hinderten, | ||||||
| 04 | wie den Priester u. den Leviten. Es ist demnach gewiß, daß die | ||||||
| 05 | Freundschaft, welche auch unter bösen Menschen ausgeübt wird das | ||||||
| 06 | niedrigste Prinzip der Sittlichkeit ist, so wie es auch das allgemeinste ist. | ||||||
| 07 | Der von Ihnen, lieber Herr Professor, verachtete Moses hat vor | ||||||
| 08 | mehr als drey tausend Iahren schon das Gesetz gegeben "Wenn du | ||||||
| 09 | deines Feindes Ochsen oder Esel siehest unter der Last liegen - so | ||||||
| 10 | versäume gern das Deine um seinetwillen" - dises ist eine Ausübung | ||||||
| 11 | der beßernden Liebe, so gar an den Lastthieren seines Feindes. Gütigkeit | ||||||
| 12 | ausüben, beßernde Liebe ausüben an den undankbaren u. boshaften | ||||||
| 13 | Menschen das ist das oberste Prinzip der Mosaischen u. Christlichen | ||||||
| 14 | Sittlichkeit - Wer das allgemeine u. oberste Prinzip der Sittlichkeit | ||||||
| 15 | nicht unterscheiden kann, der hat keine gesunde Vernunft. Wer | ||||||
| 16 | keine gesunde Vernunft hat, deßen Wille kann unmöglich das oberste | ||||||
| 17 | gesetzgebende Prinzip der Sittlichkeit seyn - Die Autonomie des | ||||||
| 18 | Willens eines solchen Menschen der keine gesunde Vernunft hat, kann | ||||||
| 19 | unmöglich das oberste Prinzip der Sittlichkeit seyn. Gott hat ganz | ||||||
| 20 | gewiß eine gesunde Vernunft, Gottesgesetzgebung ist demnach für mich | ||||||
| 21 | das oberste Prinzip der Sittlichkeit - Die Summe aller Verheissungen, | ||||||
| 22 | die Gott den Menschen gegeben hat, sind das oberste Prinzip meines | ||||||
| 23 | Hoffnungsreichen Glaubens - Die Summe aller Gebothe sind das | ||||||
| 24 | oberste Prinzip meiner mich selbst u. den Nächsten beßernden Liebe. | ||||||
| 25 | Ich will gern tauschen, wenn mir jemand etwas beßeres schenken | ||||||
| 26 | kann - ist das nicht billig? Ich hoffe, Sie sind mit meiner Billigkeit | ||||||
| 27 | zufrieden - u. Verharre in diser Hoffnung zu seyn Ihr | ||||||
| 28 | Freund u. Diener | ||||||
| 29 | Barmen bey Elberfeld | Samuel Collenbusch | |||||
| 30 | im Bergischen d. 30ten März | med. Doctor | |||||
| 31 | 1795 | ||||||
| 658. | |||||||
| 33 | An François Théodore de la Garde. | ||||||
| 34 | Königsberg den 30sten Märtz 1795. | ||||||
| 35 | Welche Überraschung haben Sie Geehrtester Freund! mir gemacht | ||||||
| 36 | und in welche Verlegenheit mich gesetzt, ein Denkmal Ihrer Freundschaft, | ||||||
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